China Xinjiang 2014

Xinjiang: zwei Welten

Bei der nächsten Grenzerfahrung befürchten wir das Schlimmste und rechnen mit einer Befragung durch die Einreisebehörde. 6 Kilometer nach der kirgisischen Grenze treffen wir auf die erste chinesische Patrouille. Zwei junge Soldaten, die unsere Pässe sehen wollen. Sie können kein Wort Englisch. Sie winken uns weiter und 2 km Später kommen wir an die eigentliche Grenze, werden in einen Warteraum gewunken mit dem vielversprechenden Namen „China Immigration Inspection“, kurz CII.

Vor uns sind noch eine Reihe Kirgisinnen mit Übergepäck abzufertigen. Sie haben Taschen mit hunderten Filzhüten und Tüchern dabei. Solange beschäftigen wir uns mit dem Motto der CII, das man einem schönen Hochglanzprospekt entnehmen kann. Dort steht auf englisch geschrieben: „Unsere Eigenschaften: spontan, intelligent und kundenfreundlich. Unsere Ziele:….unser Team soll den besten Immigrationservice der Welt bieten. Innerhalb von 26 Minuten soll die Abfertigung der meisten Touristen erfolgt sein…“

Nach ca. 1 Stunde sind wir dran. Unsere Taschen werden alle geröngt und zwei einer genaueren Kontrolle unterzogen. Ein intelligenter CIIler schnieft an unseren Mineralientabletten und bekommt einen Niesanfall. Es verläuft alles in freundlicher Atmosphäre und bald dürfen wir weiter. Jedoch: nicht per Rad, sondern eine erste Bus- oder Taxifahrt für 125 km ist obligatorisch. Wir entscheiden uns für ein Taxi, denn der Bus ist schon mit kirgisischen Filzhüten überbelegt. Unsere Pässe bekommen wir nicht zurück, die erhält unser uigurischer Taxifahrer. Unsere Räder werden auf zwei Taxi verteilt und los geht es ,durch atemberaubende Landschaft auf einer nagelneuen Straße mit türkisblauen Leitplanken. Was für ein Kulturschock, nach den Patchworkstraßen der Kirgisen!!

Bald kommt der nächste Checkpoint und unser Driver zeigt für uns die Pässe vor. Nun fahren wir bis nach Ulugqat, wo sich das Hauptimmigration und Quarantänezentrum befindet – kurz auch CII genannt. Das moderne Gebäude ist verschlossen, die Leute machen gerade Mittag. Nach längerem Warten werden wir eingelassen und unser Taxifahrer übergibt den CIIlern unsere Pässe. Eine Einreisekarte ist schnell ausgefüllt, doch dann: Stromausfall im ganzen Gebäude! Alles wird heruntergefahren, die tollen digitalen Anzeigen sind nur noch schwarz. Immer wieder wird uns signalisiert, dass ohne Strom nichts geht. So verbringen wir den Nachmittag zuerst mit netten Kirgisen und später mit netten Deutschen, die mit einem Reisebus erwartunsvoll angedüst kommen. Sie sind vom bayrischen Pilgerbüro und nachdem wir uns ausgetauscht haben, werden wir von ihnen noch in den Bus zu Süßigkeiten und Zwiebelbrot eingeladen. Die Zeit verrinnt und drei Stunden später leuchten wieder die Anzeigen. Yuhuu es geht weiter. Doch nun ist es 17 Uhr und die CIIler machen erst mal zwei Stunden Pause:-))) (nicht schlecht gell?!?).

Aber dann kurz vor Sonnenuntergang geht es los. Der Quarantänebeamte läuft durch die Einreisenden und fragt nach Obst und Gemüse. Einem kirgisischen Paar werden kurzerhand 2 Äpfel abgenommen. Unsere bayrische Bekanntschaft isst schnell noch seinen letzten Apfel auf. Wir haben Karotten, Zwiebel und getrocknete Aprikosen dabei. Wollen wir uns von einem Teil unseres Abendessens trennen? Niemals, denn wir sind Schwabe und Bretonin!

Unser Gepäck wird zum zweitenmal geröngt, unser Gemüse bestimmt verstrahlt aber nicht gefunden. Schnell bekommen wir unseren Stempel in den Pass, den wir bevor wir nach draußen dürfen nochmals vorzeigen müssen. Na ja, egal insgesamt haben wir unsere Pässe 8 Mal vorgezeigt! einmal mehr oder weniger, was soll’s……..

Nun sind wir in China, ohne Führer, nicht wie alle ausländischen Autofahrer die einen brauchen. Wir dürfen frei herumradeln.

China_Xinjiang_nach Grenze

Ruckzuck, nach 6 km Fahrt auf besten Straßen, finden wir einen klasse Zeltplatz neben einem schönen blauen Lilienfeld zwischen schützenden Bäumen. Ohne Müll? Es ist richtig auffallend wie sauber nach der Grenze alles ist.

Wir freuen uns in China zu sein, können es kaum glauben, dass wir mit den Rädern bis hierher kamen. Voller Energie radeln wir am nächsten Tag auf der neuen Autobahn die 100 km bis Kashgar, ein wichtiger Handelsort an der Seidenstraße.

Doch vor Kashgar gilt es erstmal 20 km durch Industriegelände, vermutlich zur Asbestherstellung, zu radeln. Die Luft ist stechend, ein blauer Himmel ist durch den Dunst nicht mehr zu erkennen. Unsere Augen sind rot und tränend.

Auffallend waren auch die vielen Lehmdörfer, die entweder durch die Autobahn geteilt oder völlig zerstört wurden. „Tabula rasa“.

Das erste Hotel in dem wir einchecken wollen darf keine ausländischen Touristen beherbergen, das Zweite ebenso nicht. Beim dritten Versuch haben wir Glück. Sie nehmen uns! Wir machen uns auf zur Stadtbesichtigung, wobei wir uns erst an die vielen Elektroroller gewöhnen müssen, die lautlos wie aus dem Nichts erscheinen. Wir freuen uns über das Angebot an Obst. Früchte in Hülle und Fülle!

China_Xinjiang_Kashgar Altstadt

Die Altstadtbezirke sind derzeit teils renoviert, teils Baustellen. Die alten Handelshäuser wurden mit viel Aufwand schön hergerichtet, doch unseren Geschmack treffen sie nicht, denn es wirkt zu künstlich oder disneylandmäßig. Abends trifft uns fast der Schlag. Überall Geblinke und buntes Geflimmer an den Hochhäusern, den Monumenten und an einem Riesenrad am See. Hatten wir gestern nicht erst Stromausfall?? Und nun diese Energieverschwendung…..

Xinjiang_Kashgar_East Lake

Wir essen auf dem Nachtbasar und stellen fest, dass wir viele Gerichte aus den „Stan-Ländern“ kennen. Denn eigentlich sind wir noch nicht im richtigen China, sondern im Land der Uiguren!

Xinjiang umfasst das historische Gebiet Ostturkestan, was sich in Kultur, Religion und Sprache ausdrückt. Mit türkischen Grundkenntnissen kommt man hier noch gut zurecht. Die Uiguren sind sehr fremdenfreundlich und wir werden mit offenen Armen aufgenommen und mit Obst und Gebäck beschenkt. Es erinnert uns an die Zeit im Iran.

Ein Zitat aus Wikipedia: „Im Jahre 1949 erreichten die chinesischen Kommunisten eine friedliche Eingliederung Xinjiangs in die Volksrepublik China. Im September 1955 wurde das „Uigurische Autonome Gebiet Xinjiang“ geschaffen. Während der Kulturrevolution (1966–76) musste Xinjiang, wie ganz China, den Roten Terror über sich ergehen lassen, der viele Menschenleben kostete und nachhaltige Folgen hinterließ. Viele Kulturgüter wurden zerstört. Seit der Ära Deng Xiaopings profitiert Xinjiang im großen Maße vom „Chinesischen Wirtschaftswunder“, jedoch können sich hauptsächlich angesiedelte Han-Chinesen daran erfreuen.“

Die Unterschiede zwischen den Han-Chinesen und den Uiguren werden uns schnell bewusst. Hier eine tägliche Szene:

Es ist 8 Uhr, der Han-Chines fährt seine 2 KInder im BMW oder dicken Geländewagen zur Schule. Danach geht er zur Arbeit. Er hat einen gut bezahlten Posten in der Städtebauentwicklung. Seine Frau fährt mit dem Elektroroller bei schönem Wetter in das Stadtzentrum zum shoppen. Sie trägt einen Sonnenschirm, High-Heels und Minirock. Sie trifft sich mit ihrer Freundin zum Fondue-Essen im Nobelrestaurant „Hot Pot“. Die Schule ist aus, die Jungs stürmen den Eisverkäufer und werden wieder nach Hause gebracht. Wir treffen auf den Chinesen und er macht heimlich Fotos von uns.

Es ist für den Uiguren sechs Uhr. Als Uigure lebt er nach seiner uigurischen Zeit und nicht nach der Peking Zeit! Er beläd seinen Dreiradschlepper mit Ware und macht sich auf die Fahrt zum Basar.

Xinjiang_Kashgar

Davor war er noch kurz in der Moschee. Seine vier Kinder fahren mit dem Bus in die Stadt, wo sie zusätzlich zur arabisch-uigurischen Schrift Han-Chinesich lernen müssen. Die Han-Chinesen müssen im Gegenzug nicht uigurisch lernen. Seine Frau trägt ein Kopftuch und verhüllt ihren Körper. Sie bleibt Zuhause oder arbeitet auf dem Feld. Wir treffen den Uiguren später am Feld und er läd uns zum Tee und zu Wassermelone ein. Sie wollen mit uns zusammen auf einem Foto sein und wir machen ein Gruppenfoto.

Visabedingt müssen wir viele Bus- oder Zugfahrten in diesem riesigen Land zurücklegen. Es geht nicht anders. Wir haben ein einmonatiges Visa und hoffen auf eine einmonatige Verlängerung. Mehr geht derzeit nicht. Da wir das Land nicht nur schnell durchqueren wollen, sondern auch Kultur und Leute kennenlernen wollen, entscheiden wir uns ab Kashgar eine große Strecke mit dem Bus zu fahren. Immer wieder wollen wir ein paar Stopps einlegen und mit den Rädern die Umgebung erkunden.

Unser erster Stopp ist die Turpan-Senke bei Minus 154 Meter. Ein unwirtlicher Ort, wüstenähnlich. Hier zelten wir und erleben  einen kleinen Wüstensturm, der unserem Zeltgestänge schwer zusetzt und die Zeltreißverschlüsse beschädigt. Turpan selbst, ist eine grüne Oase mit vielen Reben drumherum und schattigen Rebenalleen in der Stadt. Die Uiguren spielen Go und sitzen gemütlich zusammen.

Um Turpan herum werden tonnenweise Rosinen in Lehmhäusern getrocknet, manchmal wird auch etwas Wein gekeltert, doch die Bevölkerung ist überwiegend muslimisch. Wir besichtigen die „Flammenberge“, die bei entsprechender Sonneneinstrahlung rot leuchten. Hier zelten wir mitten in den Weinreben und werden von freundlichen Uiguren besucht. Wir essen erste leckere Aprikosen vom Baum und noch grüne Mirabellen.

Unsere nächste Busfahrt bringt uns nach Hami. Von dort aus reisen wir in die nächste Provinz Chinas, nach Gansu.

Fotos von China Xinjiang:

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