Kirgistan – Kirgisien – Kirgisistan – Land der Berge:
Die Einreise nach Kirgistan geht ruckzuck. Doch nach der Grenze stehen so viele Minibusse, dass wir kurzerhand beschließen bei minus 7 Grad doch lieber mit einem „Busle“ die letzten 80 km zu fahren. Wir kommen somit schon am 30.12. abends in Bishkek an, wo wir uns im Cafe Sierra bei einer Latte Caramel mit dem Amerikaner Josh treffen. Hier erwartet uns eine „Neue Welt“ mit englisch sprechender Bedienung, internationalen Gästen, englischer Büchersammlung und europäischen Preisen. Josh übergibt uns die Schlüssel und zeigt uns das schöne Apartement von Angie, mit der wir über warmshower Kontakt hatten und die zur Zeit verreist ist. In deren Wohnung haben wir bis 12. Januar vorerst ein super Winterlager. Wir freuen uns über Küche, Dusche, Wifi, den ganzen Luxusschnickschnack und die klasse zentrale Lage. Wir hören zum ersten Mal seit einem halben Jahr wieder SWR3 im Stream, was ziemlich befremdet auf uns wirkt. Angie, die wir ja noch gar nicht kennen, hat uns sogar einen russischen Champagner kalt gestellt. Wo gibt es sonst soviel Vertrauen?
Mit den Rädern geht es erst im Frühling wieder weiter, denn dann wollen wir Kirgistan erkunden und anschließend wenn es klappen sollte über die Berge nach China….
Das Chinavisa ist seit einiger Zeit nicht nur schwer erhältlich, auch die bis vor kurzem noch zweimaligen 30-tägigen Verlängerungen in China sind gestrichen und es ist maximal nur noch eine Verlängerung zu erhalten. Die chinesische Visapolitik ist derzeit darauf ausgerichtet den Individualtourismus noch mehr einzuschränken als es schon war. Für Radfahrer bedeutet dies weniger Reisezeit, dazu kommen die notwendig vorgeschriebenen Übernachtungen in extra Touristenhotels (man benötigt die Meldescheine), so dass man dem freien zelten einen Riegel vorschieben will. Was bedeutet das für uns? wir können nur ein 30 Tagesvisa bekommen, mit der vagen Aussicht auf eine Verlängerung von 30 Tagen, für über 6.500 km. Die Verlängerung durch die Behörden in China dauert ca. 5 Tage bis eine Woche, so dass man, bei Berücksichtigung der Ein- und Ausreisetage, ca. 50 Tage Reisezeit für China zur Verfügung hat. Einfach viel zu wenig für dieses riesige Land!
Hier in Bishkek nehmen wir Kontakt mit der Chinesin Frau Liu auf, die in einem Reisebüro arbeitet und Erfahrungen mit der Beantragung der Chinavisa hat. Wir wollen unsere Anträge über ihre Agentur einreichen, um unsere Chancen auf die Visaerteilung zu erhöhen.
Wie wollen wir den Winter verbringen? Diese Frage hat uns seit geraumer Zeit beschäftigt, denn am liebsten würden wir diese Zeit in warmem Klima verbringen. So wundert es nicht, dass wir uns für Indien entschieden haben. Der Flug dorthin ist kurz und günstig, das Klima in Rajastan ist milde. Wir sind mit der Beantragung unserer indischen Visa beschäftigt, die wir in der kommenden Woche erhalten werden.
Dieses Thema spielte schon seit dem Sommer, auch immer bei anderen Radreisenden die wir trafen, eine entscheidende Rolle. Ein australisches Pärchen überwintert schon seit dem Sommer in Georgien:-)….
Unsere Fahrräder und den größten Teil unseres Gepäcks werden wir während unserer Indienzeit – wir rechnen mit 2 Monaten – hier in Bishkek lassen und nur mit leichtem Handgepäck reisen. In Bishkek bringen wir auch unsere Räder auf Vordermann. Wir wechseln die Bremsen und bringen beide Räder in ein Sportgeschäft um die Gänge neu einstellen zu lassen. Dort können unsere Räder auch bis in den Frühling überwintern, so dass wir in Indien nur mit leichtem Handgepäck reisen können. In diesem Sportgeschäft ist derzeit Hochsaison im Wintersport. Es wimmelt von Kunden, die ihre Ski und Snowboards auf Vordermann bringen lassen. Dazwischen sind wir mit unseren Fahrrädern irgendwie fehl am Platz.
Das Januarwetter ist sehr wechselhaft. Wir haben viel Schnee, der auch liegenbleibt, aber auch sonnige Tage mit blauem Himmel. Bunt geschmückte Weihnachtsbäume sehen wir an jeder Ecke, denn Weihnachten wird hier in der Silvesternacht gefeiert. Der Hauptplatz, der Ala-Too Square, ist in dieser Nacht die Attraktion für hunderte Kirgisen, die wie wir das von der Stadt organisierte Feuerwerk bewundern wollen. Zwischen der Menschenmenge sind etliche Weihnachtsmänner oder Engel auszumachen, deren Ziel es ist die Kirgisen, Paare, Familien oder Kinder, zu den unzähligen bunt beleuchteten weihnachtlichen Fassaden zu bringen. Vor diesen Fassaden findet dann ein „Fotoshooting“ statt, eine kleine Einnahmequelle für die Veranstalter.
In Bishkek, einer Stadt an der Route der Seidenstraße, gibt es nicht viele touristische Sehenswürdigkeiten. Allerdings sollte man sich den Dordoy (Tolchok) Bazaar und den Osh Bazaar nicht entgehen lassen. Der Dordoy Bazaar ist eine Containerstadt für sich, bestehend aus ca 7.000 Schiffscontainern, zweistöckig mit schmalen Wegen durch die Container. Es ist einer der größten Umschlagplätze für Waren in ganz Asien, vor allem aber von chinesischen Billigprodukten. An die 20.000 Leute sollen hier arbeiten. Unten in den Containern werden die Waren angeboten und oben befinden sich die Lager.
Der Osh Bazaar ist ein bunter Markt, wie wir schon viele gesehen haben, aber wir lieben nun mal diesen Flair. Hier wollen wir in einer der wechselbuden unser kazachisches Geld wechseln lassen. Der junge Kassierer zählt das gewechselte kirgisische Geld vor, Martin zählt mit, nimmt das Geld und wundert sich beim Weggehen. Irgendetwas stimmt nicht. Schnell nachgezählt, stellen wir fest, dass wir nur die Hälfte des Betrages erhalten haben. Schnell zurück – Reklamation! Der junge Kirgise nimmt die Scheine, zählt erneut vor – der Betrag stimmt doch! Martin nimmt das Geld, zählt nach – es fehlt wieder die Hälfte. Nachdem der Geldwechsler entlarvt wird, stellt er das Ganze als ein Spässchen dar, zählt uns noch ein paar Mal was vor, lässt Geld verschwinden und wieder auftauchen – und wir können uns nur über diese Fingerfertigkeit wundern. Doch letztendlich ist er beleidigt und gibt uns unser kazachisches Geld wieder zurück. Wir gehen zu einer anderen Wechselbude. Dort wird unser Geld gewechselt und Martin zählt vor den Augen des Kassierers, der auch vorgezählt hat, nach. Diesmal ist es ein Geldschein weniger als vorgezählt wurde. Wir wollen unser kazachisches Geld zurück und gehen zu der dritten Wechselstube. Dort ist man ehrlich und zahlt uns den richtigen Betrag aus. Nochmal Glück gehabt!
Kurz darauf werden wir von 3 Männern in Uniformen, die vor einem Schiffscontainer stehen und die sich als Polizisten ausgeben, angehalten. Sie wollen unsere Pässe sehen und wir ihre Ausweise. Kurz wird uns ein Ausweis gezeigt, der aber schnell wieder in der Tasche des angeblichen Polizisten verschwindet. Sind diese Polizisten wirklich echt? Überall kann man hier Uniformen und Abzeichen kaufen. Sie wollen dass wir mit in den Container gehen, was wir auch machen, da der Container direkt am Markt steht und uns viele Leute sehen. Da wir schon von üblen Tricks durch angebliche Polizisten, gerade am Osh Bazaar, gewarnt sind, gehen wir zwar mit, zeigen aber unsere Originalpasse nicht vor, sondern nur Kopien. Sie wollen, dass wir unser gesamtes Hab und Gut auf einen Tisch legen. Wir wissen, dass die kirgisischen Polizisten kein Recht haben dies von Touristen zu verlangen und weigern uns. Wir werden noch mehrmals dazu aufgefordert, werden nach Drogenbesitz befragt und als sie merken, dass wir ihre „Spiele“ nicht mitspielen, lassen sie uns wieder gehen. Später erfahren wir, dass es vermutlich echte Polizisten waren. Es ist bekannt, dass auf diese Art und Weise den Touristen Geld oder sonstige Wertsachen abgenommen werden.
Ansonsten gibt die Stadt sich sehr modern. Große moderne Einkaufszentren, viele schön hergerichtete Cafés mit Wifi, englischer Karte, leckerem Kaffee und Kuchen zu europäischen Preisen, Modeläden und Restaurants. Daneben existeren natürlich auch noch die kleinen „Tante Emma Läden“, kleine Bäckereien und Verkaufsstände, bei denen man sehr günstig einkaufen kann. Uns spricht diese übersichtliche vielseitige Stadt an. Wir sind gerne hier, genießen es durch die Straßen zu spazieren und in aller Ruhe unsere zukünftige Reise vorzubereiten.
Vor der Philharmonie entdecken wir sehr schöne Statuen, die eine Rolle im Nationalepos Manas spielen. In Kirgistan nimmt in der klassischen Literatur und Erzählung das Manas Epos eine zentrale Stellung ein. Das 500.000 Verse umfassende Epos aus dem 6. bis 8. Jahrhundert beschreibt den Kampf des Helden Manas gegen die Uiguren und die Bewahrung der Unabhängigkeit. Dieses Werk, dass zwanzig mal größer ist als Odysse und Ilias zusammen, wurde Jahrhunderte lang nur mündlich durch die sogenannten Manatschis weiter gegeben. Auch heute werden Passagen zu festlichen Anlässen rezitiert und die Manatschis genießen ein hohes Ansehen. Der Vortrag wird häufig durch das traditionelle Komuz (oder Komus) begleitet. Dabei handelt es sich um ein dreisaitiges Zupfinstrument das zur Familie der Lauten gehört und in etwa vergleichbar mit der ursprünglichen persischen Setar (ebenfalls dreisaitig) ist. Die Bedeutung der nomadischen Kultur und des Manas Epos spiegelt sich auch in der krgisischen Flagge wieder. Die Strahlen der Sonne symbolisieren die 40 mythischen Krieger Manas und die Linien in der Mitte stellen das sich kreuzende Gestänge einer Jurte im First dar.
Die Rolle der Frau in den zentralasiatischen Ländern ist immer wieder Thema bei uns und bei anderen Reisenden. Wir haben dazu einen interessanten Audio-Artikel gefunden, auf den wir hier verweisen wollen. Er handelt über Frauen in Uzbekistan, jedoch machten wir seit unserer Zeit im Iran die Erfahrung – in Gesprächen mit Einheimischen – dass sich dieses Thema auf alle Länder – nicht nur auf Uzbekistan- die wir seit dem Iran durchquerten, beziehen könnte. Blick in die Hinterhöfe Usbekistans:
http://whyjustify.com/blick-in-die-hinterhofe-usbekistans/
Alle zwei Wochen findet im Dolce Vita, einer guten Pizzeria, ein deutscher Stammtisch statt. Wir lassen uns dies nicht entgehen,finden nette Kontakte und essen Pizza mit Bier. Hier treffen sich regelmäßig Deutsche, die ausgewandert sind oder einfach nur eine bestimmte Zeit lang in Bishkek arbeiten, sowie Asiaten mit deutschen Wurzeln und Reisende wie wir, http://leben-in-kirgistan.de/wp/ Das Indienvisa haben wir am 10. Januar reibungslos erhalten und gleich einen Flug nach Delhi gebucht. Am Montag 13.1.14 werden wir uns für die nächsten 2 Monate in Indien aufhalten
Zum Jahresabschluss und da fast ein halbes Jahr vorüber ist, haben wir hier ein paar statistische Werte aufgelistet:
gefahrene Kilometer: 7.282 km
Höchstgeschwindigkeit mit Gepäck: 67,2 km/h
längste gefahrene Strecke am Tag: ein paar Mal ca. 120 km
platte Reifen: 6 mal flicken
platte Isomatte: 5 mal flicken (wir haben eine Matte mit Materialfehler)
bereiste Länder: 14 Länder davon 4 mit Visapflicht
Nationalitäten anderer Fahrradreisender mit denen wir Kontakt hatten: aus Californien, Portugal, England, Japan, Holland, Frankreich, Australien, Armenien, Lettland, Schweden – auch wenn die Kontakte manchmal kurz waren, so war es doch immer toll sich auszutauschen.
Stürze im ersten halben Jahr: Martin und Agnès landen je einmal mit dem Fahrrad in einem Schlammloch – putzen war angesagt.
Martin fällt zu Fuß in einen Bach und ein anderes Mal über einen Fels. Agnès hat zwei leichte Stürze auf einer völlig verschneiten Fahrbahn als es bergab geht. Martins Ellenbogen wird vom Spiegel eines Transporters gestreift und es gibt einen heftigen Knall, doch der Ellenbogen war stärker. Insgesamt ist, außer ein paar blaue Flecken, nichts passiert.
Fahrradreparaturen: wir haben die 4. Kette drauf (es ist aber dieselbe wie zu Beginn unserer Reise. Wir wechseln alle 2.500 km im Rotationssystem). Unsere Gänge schalten nicht mehr sauber durch und Martins Schaltzug friert ein. Die Zughüllen werden bei Hitze und Kälte, wie wir hatten, spröde und dann innen feucht.
In Bishkek werden die Bremsen erneuert, ein Schaltzug gewechselt und die Schaltungen neu eingestellt.
Gegenstände über die wir richtig froh sind: Rückspiegel am Fahrrad, Faltschüssel von Ortlieb, Brooks Sattel aus Leder (immer komfortabel!), Honda-Fell-Motorradhandschuhe am Lenker fixiert (gibts im Iran für 1 Euro das Paar), Gymnastik/Isomatte zum Draufsitzen im Freien, Merino Bekleidung.
Checkliste unserer Kinder für das erste halbe Jahr, die sie uns mitgegeben haben. „Undefinierbares gegessen: Kügelchen die wie Kokosnuss aussahen, jedoch wie vergorene Ziegenmilch schmeckten….“ Hier sind unsere Antworten.
unsere Fotos zu Kirgistan Bishkek: