Kirgistan – Land der Pferde, Jurten und Berge
Die Fahrradsaison ist wieder eröffnet!! Am Samstag, den 29. März holen wir unsere Fahrräder ab und machen uns auf eine dreitägige Tour auf, zum Ala Archa Nationalpark. Schnell merken wir, dass der Fahrradladen Gergert in Bishkek gute Arbeit geleistet hat, denn unsere Schaltung funktioniert wieder einwandfrei und ein „Achter“ am Vorderrad wurde behoben. Und das alles für nur 10 Euro pro Fahrrad.
Nur, was ist mit uns los? Genauso schnell merken wir, dass unsere Kondition während unserer Winterpause in Indien und Nepal stark gelitten hat. Teilweise schieben wir sogar unsere Räder — und das mit halbem Gepäck. Ok, wir radeln von Bishkek bei 800 m Höhe, 40 km ständig leicht und später steiler bergauf, bis wir auf 2.100 m ankommen.
Doch dafür werden wir mit super guter Sicht und Sonne, mit Temperaturen bis zu 25 Grad, belohnt. Schon vor der Einfahrt in den Park, sehen wir eine gigantische Bergkulisse im Hintergrund, im Vordergrund grasen Pferde in der Steppe.
Wir sind froh, dass wir wieder in schöner Natur zelten können und wir genießen jedes Picknick mit Blick auf die Berge.
Im Park sprudeln Quellen, Trinkwasser direkt aus Mutter Erde.
Der Ala Archa Park umfasst 200 Quadratkilometer und liegt auf einer Höhe zwischen 1.500 Meter bis 4.895 Meter. Er bietet 20 Gletscher und 50 Gipfel, die man besteigen könnte.
Wir machen zwei schöne Wanderungen und haben das Glück etliche Murmeltiere aus nächster Nähe beobachten zu können.
Am 2.4.14 können wir unser Chinavisa abholen und wir sagen „Tschüss“ zu Bishkek. Mit Angie waren wir abends zuvor nochmals lecker essen und der Abschied fällt uns allen nicht ganz leicht.
Fotos zum Nationalpark Ala Archa:
weiter Richtung Ysyk-Köl See:
Wir fahren zunächst auf Feldwegen Richtung Südost, da wir der deutschen Enklave Rotfront einen Besuch abstatten möchten. Doch leider vertun wir uns und verpassen das Dorf. Wir fahren auf der Hauptstraße A363, einer guten breiten Straße, weiter Richtung Ysyk-Köl See. Kurz vor dem See ist noch ein Pass zu meistern. Danach sehen wir bizarre Felsformationen und im Tal goldenfarbenes Schilf an einem klaren Bach. Die Temperatur ist rapide gesunken, wir haben mindestens 10 Grad weniger wie noch vor ein paar Tagen und es weht ein kalter Wind.
Nach 3 Tagen sehen wir den zweithöchsten Bergsee der Welt auf 1.607m Höhe. Abends bekommen wir, wenn wir das Zelt aufbauen, öfters Besuch von Schäfern, die an uns interessiert sind.
Der Name Ysyk-Köl bedeutet warmer See. Dies beruht darauf, dass er leicht salzig ist und nicht gefriert. Doch trotzdem ist er für uns eisig kalt. Er ist 6.236 m2 groß und bis zu 658 m tief.
Das erste Drittel des Sees finden wir nicht so schön und sind ein wenig enttäuscht, denn die Straße verläuft weit abseits und eingezäunte Weiden verhindern den direkten Zugang. Aber dann, ab Bokonbaev führt die Straße dichter am See entlang und wir staunen über die Farbenpracht des Sees. Von türkisblau zu hellblau, im Hintergrund schneebedeckte Bergkämme und im Vordergrund rötlicher Strand mit teilweise großen Kieselsteinen. Und das Wasser ist glasklar!
Es bleibt zwar kühl, doch der Frühling zeigt sich. Mandelbäume knospen und zeigen erste Blüten, gelbe Sträucher locken Insekten an.
In Tamga gönnen wir uns wieder einmal ein Zimmer, und kommen bei dem Bergsteigerehepaar Sascha und Lyubov unter. Die Beiden haben schon drei 7.000er bestiegen und sind kurz davor die russische Auszeichnung des Schnee-Leoparden zu bekommen.
(diese erhält man nach der Besteigung von Mt. Communism 7.495m, Mt. Kopjenevskoi 7.105m, Mt. Lenin 7.134m und Mt. Pobedy 7.439m)
Leider sind die Beiden davon überzeugt, dass derzeit noch zuviel Schnee in den Bergen liegt und es nicht möglich sein wird diese vor dem Sommer mit dem Rad, auf einer Route wie wir sie gerne hätten, zu überqueren. Von offizieller Seite wird uns das Gleiche bestätigt. Dieses Jahr liegt einfach noch zuviel Schnee.
Zunächst wollen wir verschiedene Sehenswürdigkeiten anradeln. So machen wir einen Abstecher in die Schlucht Zety Oguz. Die 16 km bergauf lohnen sich, denn wir erreichen gigantische rote Sandsteinformationen. Auch das Wetter stimmt und wir werden mit blauem Himmel beschenkt.
Als nächstes radeln wir durch die größere Stadt Karakol und steuern die heißen Quellen Ak-Suu in den Bergen an. Nach einer schönen Wanderung am Gebirgsbach entlang gönnen wir uns ein heißes Bad in der etwas altmodisch wirkenden Badeanstalt, die von den Kirgisen rege besucht wird. Das 37 bis 40 Grad heiße Wasser tut uns sehr gut und wir haben den Eindruck dass da noch der Dreck von Indien weggespült wird.
Eine Wanderung nach Arasan brechen wir leider ab, da das Wetter sehr schnell umschlägt. Kalter Nieselregen und Nebel zwingen uns umzudrehen.
Ein weiterer Ausflug führt uns 20 km hoch in die Berge zu dem gefrorenen Wasserfall nach Barskoon. Eine sehr schöne Gegend mit vielen Nadelbäumen und tollem Panorama auf die schneebedeckten 5.000er. Doch leider sind auf dieser Strecke auch viele Großlaster unterwegs, denn in den Bergen soll es eine Goldmine geben. Zweimal fahren wir in einem Graupelschauer und in der Nacht wird unser Trinkwasser, bei 2.500m Höhe, mal wieder zu Eis.
So sehnen wir uns zurück an den Ysyk-Köl See mit seinem Mikroklima. Dort weht zwar ein kalter Wind, aber es ist sonnig und gleich 10 Grad wärmer als in den Bergen. Wir entspannen am See und beobachten die verschiedenen Farben die der See im Laufe eines Tages fabriziert. Hier sehen wir bislang auch die schönsten Sonnenuntergänge unserer Reise, von goldfarben zu violett,
manchmal absolut unwirklich.
Fotos zu den Ausflügen um den See herum:
Seit wir in Kirgstan sind, treffen wir täglich frei laufende Pferdeherden, oft mit herumtollenden Fohlen, viele Schäfer- und Kuhhirten „Cowboys“ und Kinder auf Eseln oder Pferden. Das Reiten wird schon von den Kleinsten ohne Sattel, nur mit einer Decke auf dem Pferderücken erlernt. Es sieht so einfach aus!
Bedingt durch den hohen Schneefall dieses Jahr wählen wir für unsere Weiterfahrt die Route Uttuk am Ysyk-Köl See über Koshkor nach Naryn, anstatt über den Tong Pass zu fahren. Dort liegt noch ca. 1 Meter Schnee auf der Fahrbahn.
Kurz nach dem Ysyk-Köl See grast eine Herde Kamele am Wegrand. Sie sind nicht scheu und sie mustern uns neugierig.
Die Strecke, vorbei an einem türkisblauen See, umrahmt mit kahlem Vulkangestein, roten-eisenhaltigen Bergwänden und im Hintergrund Schneeberge ist wunderschön.
Wir werden auf dieser schönen Strecke mehrmals von Kirgisen zum Tee mit Gebäck eingeladen. Einmal dürfen wir auch das kirgisische Getränk „Jarma“ testen – vergorene Getreidemilch. War gar nicht sooo schlimm.
Vor Naryn ist der Dolon Pass mit seinen 3.030 m zu bewältigen. Beim Anstieg sinkt die Temperatur in kurzer Zeit von 16 Grad auf 4 Grad. Dazu kommt ein kleiner Schneesturm, die asphaltierte löchrige Straße wird in diesem Moment zu einer Schotterpiste und wird von vielen chinesischen Lkw-Fahrern frequentiert. Doch trotz der widrigen Umstände kommen wir oben an und sind froh es geschafft zu haben. Es war unser erster Pass über 3.000 m.
Auch bergab ist die Straße „grottenschlecht“ und fordert viel Konzentration. Am Spätnachmittag ziehen nochmals dunkle Wolken auf und wir flüchten uns vor dem Schneesturm in unser Zelt.
Naryn liegt schön zwischen roten Bergen am gleichnamigen türkisfarbenen Naryn-Fluss, dem größten Fluss Kirgistans. Wir machen einen Ausflug mit dem Taxi nach Ak Bashy, wo am Ostersonntag ein großer Viehmarkt stattfindet.
Leider erfahren wir in Naryn, dass wir für die Grenzpassage über den Torugart Pass nach China neuerdings sehr hohe Transportgebühren bezahlen müssen. Es ist nicht möglich einfach mit dem Fahrrad einzureisen. Die Chinesen verlangen den Transport mit einem Taxi bis Kashgar. Für diese 150 km wollen sie von uns 460 US Dollar (130 pro Person und 100 pro Rad). Selbst die Arbeiterin beim Touristenbüro CBT ist entsetzt, denn diese erhöhten Preise sind neu.
Nicht mit uns! Wir entscheiden uns für eine andere, die einzige noch mögliche Strecke, um nach China per Fahrrad zu kommen.
Wir wollen zurück nach Kochkor und von dort die Straße nach Westen bis Toktogul nehmen. Dann planen wir weiter über Jalal Abad, nach Osh über Sary Tash bis China zu kommen. Ein gewaltiger Umweg, doch noch haben wir Zeit.
Kurz nach Kochkor erwischt uns ein Sandsturm und heftiger Seitenwind, der uns fast von der Straße fegt. Wir kommen nicht mehr voran und wir flüchten uns bereits nach 15 km Tagesetappe in ein zerfallenes Lehmhaus, das uns etwas Schutz bietet. Trotz allem ist unser Zeltinventar nach ein paar Minuten völlig verstaubt.
Am nächsten Tag geht es dafür zügig weiter Richtung Caek und wir passieren den Kyz-Art Pass (2.664m) bei schönem Sonnenschein.
Die Abfahrt gestaltet sich ein wenig abenteuerlich, denn der Belag ist oft sandig und Martin stürzt auf dem weichen Seitenstreifen. Nochmals Glück gehabt! Es gab nur leichte Prellungen.
Nach dem Pass ändert sich die Landschaft, plötzlich ist alles grün und der Frühling ist da. Wir zelten auf einer Hochebene und bekommen Besuch von einer Stute mit neugeborenem Fohlen, das noch ganz wackelig auf den dünnen Beinen steht. Die Beiden schlafen direkt hinter unserem Zelt.
Die Fahrt durch das Tal mit wenig Verkehr, umrahmt von Schneebergen erweist sich als Highlight, doch die absolute Krönung ist die holprige Fahrt entlang des Kökömeren Flusses. 90 km Schotter- und Sandpiste, am Wildwasserfluss entlang, mit tollstem Blick auf bizarre Felsen und bunte Berge. Wir haben zwar nur eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 9 km/h doch diese Strecke ist ein Muss!
Kurz vor Suusamyr begegnen wir 6 Landrover mit deutscher Besatzung, die wir schon 3 Tage zuvor in Naryn getroffen haben. Auch sie reisen auf den schönsten Strecken unter dem Motto http://www.landrover-experience.de/seidenstrasse.html
Sie halten an, es wird getratscht und es werden Fotos geschossen. Sehr nett.
Noch am selben Tag, treffen wir vor der Einmündung in die M41 auf 3 deutsche junge Touristen, die mit ihren Tourenskiern in Kirgistan Urlaub machen. Sie sind ganz begeistert vom Land und es findet ein weiteres Fotoshooting statt. http://www.scharfelinse.com/
Doch außer diesen wenigen Touristen haben wir hauptsächlich Kontakt mit Kirgisen, die uns immer wieder beim zelten besuchen, die uns in den Dörfern die Hände schütteln oder uns ein freundliches Hallo zurufen. Kinder sind meistens völlig aus dem Häuschen wenn sie uns sehen, es wird gerufen oder mit dem einfachen Kinderfahrrad neben uns hergeradelt.
Nach über 100 km Schotterpiste zelten wir nochmals kurz bevor wir auf die Hauptstraße M41 kommen auf einer Weide und entdecken eine Vielfalt von kleinen wilden Orchideen.
Es ist ein wenig stürmig und nachts gefriert es. Das Wetter, bis heute super gut, schlägt um. Auf der Hauptstraße Richtung Ala Bel Pass schneit es und die Temperaturen sinken wieder bis auf 7 Grad. Gestern ((25.4.2014) hatten wir noch 25 Grad! Was unsere Körper und unsere Ausrüstung da mitmachen….
Da wo im Frühjahr/Sommer Jurten stehen, liegt derzeit noch viel Schnee. Keine Bauern, keine Weidetiere, nur die Asphaltstraße die sich durch die Schneelandschaft windet und Berge die im Nebel liegen. Gut, dass wir direkt vor dem Pass in einem neuen Hotel ein warmes Zimmer finden, denn es schneit und schneit.
Da es am nächsten Morgen immer noch schneit fragen wir einen Lkw-Fahrer ob der Pass mit Rädern zu befahren ist. Unser Wirt meinte nämlich, dass auf der Straße oben Schnee liegen würde. Der Lkw-Fahrer sagt das Gegenteil. Er zeigt mit dem Daumen nach oben. Wem sollen wir glauben? Wir wollen es versuchen. Gegen 11.00 Uhr machen wir uns bei leichtem Schneefall und Nebel auf den Weg. Die Sicht wird immer schlechter und die Berge sehen wir so gut wie nicht. Alles ist weiß in weiß, doch die Straße ist frei. Wir haben uns auf 30 km Kampf eingestellt und sieh da, nach 18 km haben wir den Pass geschafft.
Die Freude ist groß! Doch diese ist schnell verflogen, denn auf der anderen Passseite begleitet uns ein eisiger Gegenwind. Nach 20 km Abfahrt kommt uns jedoch der Frühling entgegen. Plötzlich ist alles grün und die Bäume blühen. Alles ist in voller Blüte. Wir freuen uns darauf unser Zelt am Fluss im Grünen aufzuschlagen.
Am nächsten Tag regnet es und wir nehmen uns ein Zimmer in Toktogul, besuchen den Bazar und den schönen Park.
Wir radeln am Toktogul See entlang und nennen diese Strecke später die „12 Prozent hoch und runter Strecke“. Die Natur ist gigantisch und erinnert uns an den Film Herr der Ringe. Verschiedene Bergketten, in allerlei Farben, reihen sich hintereinander in die Höhe.
Die Fahrt geht weiter auf der 80 km lange Canyonstraße, die sich wie eine Schlange am gestauten Naryn Fluss entlang windet. Auch diese Strecke hat es in sich. Wir sind wieder mit dem „12 Prozent Spiel“ dabei. Als wir abends unser Zelt aufbauen, schaut ein Kirgise vorbei und warnt uns vor einem tückischen Wind, der jeden Abend am Fluss einsetzen soll. Er schlägt uns vor den Zeltplatz zu verlegen. Wir sind zu müde und es wird bald dunkel. Doch in dieser Nacht machen wir kein Auge zu, denn der böige Wind flattert wie verrückt um unser Zelt.
Bald radeln wir am Stacheldrahtzaun der uzbekischen Grenze entlang. Die Grenze ist nicht sehr spektakulär, wenn man bedenkt, dass noch im Jahr 2010 hier kriegerische Auseinandersetzungen um das sehr fruchtbare Ferganatal stattfanden.
Die Natur ist hier sehr weit fortgeschritten und die kirgisischen Frauen und Kinder beackern das fruchtbare Land, meist in Handarbeit. Auch wir schwitzen, denn das warme Klima sind wir noch nicht gewöhnt.
Gut, dass wir in Jalal-Abad ankommen, denn dort gibt es viele schattige Biergärten mit frisch gezapftem Bier und leckerem Essen.
Wir passieren auf dem Weg nach Osh etliche große Viehherden, die auch auf der Straße unterwegs sind und fühlen uns schon fast wie Cowboys mitten drin. Auch viele Jurten sind mittlerweile aufgebaut oder werden zerlegt in die Berge transportiert.
Fotos von Yssyk Koel bis Osh:
Osh ist die zweitgrößte Stadt in Kirgistan und noch ca. 260 Kilometer von der chinesischen Grenze entfernt. Allerdings sind ca. 4500 Höhenmeter zu überwinden.
Nach einem Tag Ruhepause in Osh radeln wir am 6. Mai stetig leicht bergauf, an einem breiten Flussbett entlang. Die Sonne knallt mit über 35 Grad und am Nachmittag zieht ein Gewitter auf, so dass wir das Zelt bereits nach 50 km vorsorglich aufstellen. Wir kochen gerade einen leckeren Eintopf als das Münchnerpaar Uwe und Tina mit ihrem Landcruiser auftauchen. Sie übernachten oberhalb von uns am Hang und wir bewundern ihr super ausgebautes Fahrzeug.
Am nächsten Tag passieren wir recht flott den Cygrok Pass mit 2.383 m. Wir sehen wieder viele Jurten und Pferdeherden.
Nach dem Pass geht es über 25 km steil bergab. Die Straße zieht sich danach in schöner Canyon-Landschaft dem Gulcha Fluss entlang wieder stetig nach oben. Und Yuhuu: wir hatten es eigentlich seit Nepal schon abgehakt. Doch plötzlich stehen wir vor einer Herde Yaks. Sie haben Nachwuchs und wir halten einen guten Abstand zu ihnen ein. Bald darauf folgt die zweite noch größere Herde.
Nun kommt die größte Herausforderung langsam auf uns zu: der Taldyk Pass mit seinen 3.615 m! Die letzten 20 km sind wirklich der Hammer. Es geht sehr steil in Serpentinen bergauf und wir schieben auch immer mal wieder unsere Räder. Doch das Wetter ist grandios, die Sicht ist super und wir haben an die 20 Grad. Etwas lästig sind die kohletransportierenden Lkws, die uns immer wieder die Luft verpesten. Kurz vor dem Pass schlagen wir nochmals das Zelt auf und blicken beim Frühstück in das Tal und in die uns umgebenden verschneiten Bergketten.
Wir radeln am 9. Mai über den Pass, haben Bilderbuchwetter und fühlen uns zwar ziemlich platt aber auch etwas stolz.
War dies der höchste Pass unserer Reise? Kommentar Agnès: „Hoffentlich! Es waren 500 m zuviel.“
Wir erreichen der Bergort Sary Tash, der über 3.000 m Höhe liegt, nehmen uns ein einfaches Zimmer in einem Gästehaus. Die Werbefotos vor dem Haus haben uns etwas mehr erwarten lassen.
Von Sary Tash aus haben wir eine fantastische Sicht auf die Bergkette des Mount Lenin Massivs (Arka Alai) mit Pik Lenin 7.134 m.
Sary Tash ist der vorletzte Ort vor der chinesischen Grenze. Hier gabelt sich der Weg nach Tajikistan mit dem Pamir-Highway (hier gäbe es noch höhere Pässe) und dem Weg den wir nehmen werden, nach Kashgar, die berühmte Stadt an der Seidenstraße.
Da die Grenze an den Wochenenden geschlossen ist, wollen wir am Montag, 12. Mai nach China einreisen.
Über Nacht wurde es wieder kalt und wir warten ab, bis sich der leichte Schneefall legt. Das Wetter hält sich und wir kommen die ersten 30 km gut voran.
Danach schwanken die Temperaturen zwischen 1 und 7 Grad und es schneit immer mal wieder. Wir gewinnen an Höhe und sind bald auf dem Taun Murun Pass bei 3.526 m angekommen. Hier setzt ein eisig kalter Seitenwind ein und macht ein Fahren fast unmöglich. Dann geht es bergab – aber nur in der Theorie – denn der Wind wechselt seine Richtung und nimmt Orkanstärke an. Wir schieben bergab! Es ist mit Wind und schlechter Sicht einfach zu gefährlich zu fahren. Außerdem sind unsere Finger trotz dicker Handschuhe so kalt, dass es schwer wäre zu bremsen. Mit jedem Meter den wir gehen nimmt der Wind noch zu und wir suchen Schutz hinter einer Betonleitplanke. Wir wärmen uns hier in der Hocke die Finger. Doch als wir weiterschieben wollen sind unsere Fahrräder total vereist. Eine 2 cm dicke Eisschicht bedeckt die Bremsen, Züge und die Kette. Die Räder sind blockiert. Mit eisigen Fingern Eis kratzen ist wahrlich kein Spass! Doch irgendwie gelingt es uns die Räder und später die Bremsen wieder frei zu bekommen. Auf der verwehten Straße kommen wir dann doch langsam vorwärts.
Wir erreichen 20 km später, total verfroren, einen kirgisischen Grenzcheckpunkt. Die Soldaten winken uns in ihren beheizten Bauwagen hinein und wir können uns am Ofen langsam erwärmen. Sie sind voll nett und da es schon 17 Uhr ist, organisieren sie für uns einen Lkw, der gerade den Checkpoint passiert, um die letzten 15 km bis zur Grenze darin mitzufahren.
Der Ort an der Grenze, Erkestam, besteht im Wesentlichen aus Containern und Bauwägen, in denen Menschen leben und irgendwelchen Geschäften nachgehen. Es gibt noch einen Laden und ein neu eröffnetes Restaurant mit Schlafgelegenheit. Wir sind froh ein beheiztes Zimmer dort zu bekommen, auch wenn alles noch nicht richtig fertig gestellt ist. Wir essen sehr lecker im Restaurant (das kirgisische Gericht Lakhman) und erfahren, dass es heute zum ersten Mal geöffnet ist. Was für ein Glück!
Entlang der Hauptstraße parken die Lkws in einer zweier Reihe und warten wie wir auf die Grenzöffnung am nächsten Tag.
Heute ist Montag der 12. Mai. Wir bekommen ohne Probleme innerhalb von 5 Minuten unsere Ausreisestempel.
Wie wird die Einreise nach China verlaufen? Wir hörten bereits die unterschiedlichsten Geschichten.
Wasser:
Wir passieren auf unserem Weg viele Dörfer. Meist ziehen sie sich kilometerlang an der Hauptstraße entlang. Hier gibt es immer wieder Wasserstellen, an denen die Dorfbewohner große Wasserbehälter auffüllen. Transportiert wird mit Handkarren oder Esel. Fast alle Dörfer haben kein fließendes Wasser in den Häusern. Diese Stellen sind Treffpunkte für Jung und Alt. Selbst die kleinsten Kinder haben kleine Eimerchen zu füllen. Auch wir haben uns hier bedient, aber das Wasser vorsorglich abgekocht.
CBT:
Community Based Tourism. Eine Organisation, die seit dem Jahr 2000 Zimmer an Touristen vermittelt und Touren organisiert. Es wurde ein Netzwerk von 300 kirgisischen Familien aufgebaut. Wir sind ein wenig enttäuscht, denn bei den drei Gästehäusern die man uns vermittelt hatte, wurde so gut wie kein Englisch gesprochen. Die Kontakte waren jeweils nur sehr kurz. In manchen Hotels hatten wir bessere Kontakte und wir fragen uns für was der Name CBT nun steht. Die CBT-Büros sind jedoch sehr kompetent und die Angestellten sprechen prima Englisch.
Müll:
Außer in den ganz großen Städten gibt es in Kirgistan keine funktionierende Müllabfuhr. Der Müll, vor allem Plastikflaschen, Plastiktüten, zerbrochene Glasflaschen usw., liegt somit in der Natur. Meist findet man den ganzen Müll entlang den Straßen, da er mit Vorliebe über das Autofenster entsorgt wird. Es ist echt eine Schande diese schöne Natur so zu vermüllen!
Die einzige Entsorgung erfolgt dadurch, dass jeder seinen Müll – egal ob Plastik oder Autoreifen – verbrennt. Auch die Gartenabfälle – wir erlebten den Frühjahrsputz – werden zusammen mit dem Müll verbrannt. An manchen Tagen fuhren wir sehr sehr oft durch übel riechende Rauchschwaden. Ziemlich lästig.
Vom Schweizer Käse zur Patchworkdecke: — So kann man die kirgisischen Straßen wohl am Besten beschreiben:
Kieselsteine, in Asphalt verlegt und plattgewalzt, fordern unsere Räder und unser Sitzfleisch täglich heraus. Leider haben wir keinen 4-Radantrieb und keine 160 PS wie die anderen. Diese fahren mit atemberauschender Geschwindigkeit über diesen tollen Belag und scheinen ihre Stoßdämpfer zu testen. Klar doch, dass Kieselsteine in Asphalt verlegt diese gemeine Tortur nicht lange aushalten. Es bilden sich Löcher, kleine, größere und noch größere, die uns zum Slalomfahren animieren.
Und dann? Dann kommen die kirgisischen Straßenbaumeister.
Der Erste vorneweg hat ein Stück Kreide in der Hand, er hat fast den schlauesten Job. Er zeichnet viereckige Rahmen um die Löcher die er nicht mag. Warum gerade die? Es bleibt uns ein Rätsel.
Als nächstes kommt der Kirgise mit dem Bohrhammer ins Spiel. Die viereckigen Rahmen werden ausgestanzt. 3 Kirgiesen schauen ihm zu – oder wechseln sie ab, wenn wir außer Sichtweite sind?
Nun kommen die Schaufelträger. Zwei bis drei Mann schaufeln nun die viereckigen Löcher frei. Es sieht schön aus! Akurate viereckige Löcher über die gesamte Straße verteilt — Warnschilder? Fehlanzeige!
Wir fahren wieder Slalom.
Nun folgt der nächste Arbeitsgang (falls er überhaupt kommt). Teer wird in einem fahrbaren Kessel über einem Holzfeuer erhitzt. Es qualmt und dampft und erinnert uns an die heimischen Faschingsumzüge. Mit einer langen Kelle wird nun die neue Teer-Steinemischung in die viereckigen Löcher verteilt. Nein, nicht eben, sondern 1 bis 2 cm überstehend.
Man kann es gut sehen, spüren und gut Slamlomfahren.
Da wo sich alte Teerflicken zu neuen gesellen, diese womöglich auch noch überlappen, erhöht sich der Rand logischerweise.
Wo zuvor ein mehrere cm tiefes Loch war ist nun ein mehrere cm hohes Flickwerk!
Doch der allerbeste Job ist auch vergeben. Er ging an den Koch mit der Warnweste der neben der Böschung sein Lager aufgeschlagen hat! Hier lodert ein Holzfeuer, ein großer Kessel oder Wok dampft und der Geruch von Schafsfleisch in Fleischbrühe vermischt sich mit dem Dampf der Teerkolonne. Die Arbeiter können sich auf ein warmes leckeres Essen freuen.
Wir freuen uns weiter über unsere Slamlomfahrt.
Straßenschilder:
Straßenschilder:
12 Prozent Steigung/Gefälle: dieses Schild sieht man überall. Der kirgisische Staat scheint ein Monopol auf dieses Schild zu haben. Vor der chinesischen Grenze scheinen diese Schilder jedoch ausgegangen zu sein, denn hier sieht man ausschließlich nur 8 Prozent-Schilder, obwohl die Steigungen sicher über 12 Prozent sind.
Vorsicht Bodenwellen: Mitten in den Bodenwellen, die wir schon seit 20 km haben, erscheint plötzlich dieses Schild. Wir stellen uns nun auf verherende Bodenwellen ein, reduzieren unsere Geschwindigkeit. Wir bemerken keine Änderung. Auch die nächsten 20 km bleiben wie gehabt schön hügelig.
Hinweisschilder zu Orten oder Km-Angaben: Wo sind sie denn???