Elfenbeinküste 2020

Côte d’Ivoire

Die Einreise dauert bestimmt zwei Stunden. Unter Aufsicht müssen wir unsere Hände waschen, danach wird Fieber gemessen. Alles Ok. Ein Funktionär trägt unsere Daten in ein Buch ein, ein anderer befragt uns und notiert sich alles auf einen Schmierzettel. Beim Arzt wird ein flüchtiger Blick in unsere Impfpässe geworfen und der Drogenpolizist interessiert sich auch nur kurz für eine unserer vielen Satteltaschen.
Côte d’Ivoire empfängt uns mit einem erfrischenden Schauer. Dem ersten seit Guelmim in Marokko. Es kühlt sich kurz ab auf 25 Grad und wir können durchatmen.

Auffällig, so dass unsere Augen sich erst wieder daran gewöhnen müssen, sind die vielen Straßenlaternen und Strommasten. Ab und zu sind sogar in den Dörfern einzelne kleine Häuser an das Stromnetz angeschlossen.

Ist der Straßenbelag schlecht oder was? Agnés tut sich schwer. Irgendwann stellt sie fest, dass ihr Hinterrad an der Bremse schleift. Die Spannfeder der Bremse ist gebrochen. Natürlich hat man nie das Ersatzteil dabei das man braucht. Also geht es erst mal mit ausgehängten Hinterradbremsen weiter – bis zur nächsten Stadt, Danané.
Dort finden wir eine nette Schraub- und Mechanikertruppe, die sich im Straßenstaub bei hoher Luftfeuchtigkeit, an die Reparatur machen. Auch sie haben kein passendes Ersatzteil. Aber nach zwei Stunden biegen und hämmern ist eine Ersatzfeder hergestellt. Sie passt und die Bremsen funktionieren wieder wie davor.

Agnès hintere Bremse wird in Danané repariert. Dazu wird ein „Shimano“-Teil per Hand hergestellt. Es funktioniert noch Jahre später.

Die Straße nach Man ist nicht sehr gut. Viele Löcher und zum Teil rote Piste verzieren den dunklten Asphalt. Da brauchen wir dringend eine Pause und sie kommt in Form eines Cafes mit bunten Stühlen und Sesseln auf uns zu. So was gab es schon seit Monaten nicht mehr. Wir sind die einzigen Gäste und die Bedienung tut sich schwer in Gang zu kommen. Wir bestellen „Café au lait“ und bekommen eine halbe Stunde später Tee mit Omlette. Ja, so ist das hier. Selbst mit einer Französin an der Seite ist die Verständigung nicht gerade einfach. Reden die Einheimischen untereinander französisch, versteht Agnès kein Wort. Es ist französisches Kauderwelsch….
Oder auch anders herum. Wenn wir Brot „pain“ bestellen versteht man uns nicht. Manche Ausdrücke die man täglich hört, sind auch zum kringeln. „Ca va, là-bas?“ „“Ca va un peu !“…..:-)

Die Suche nach einem Zeltplatz endet in den meisten Fällen in der Wildniss zwischen Kakaobäumen, Kaffeesträuchern, wildem Ananas und Avocadobäumen. Die Brandrodung und Baumfällung ist zum größten Teil schon seit Jahren abgeschlossen und große Bäume gibt es so gut wie keine mehr. Deshalb sehen wir auch in ganz Côte d’Ivoire keine Affen mehr. Dafür tauchen Affen beim Essen auf – im Restaurant als „Viande de brousse“ oder im Dorf als Beilage zum Reis in Sauce. Wir verzichten gerne auf das Verspeisen unser nächsten Angehörigen.

Zeltplatz zwischen Kakao und Kaffee

Die Kleinstadt Man liegt schön zwischen den Bergen, leider im Nebel. Wir machen einen Ausflug zu einem ausgetrockneten Wasserfall (….da fehtl irgendwie ein Effekt) und zu einer verrotteten Lianenhängebrücke, von der nicht mehr viel zu sehen ist – irgendwie auch ziemlich effektlos. Sonst ist touristisch nichts los – auch andere Touristen sehen wir nicht – und nach zwei Tagen, in denen wir es uns gut gehen ließen, geht es weiter. Unser Hotel hatte fließendes Wasser und Strom auch nachts!

ausgetrockneter Wasserfall in Man

 

Die Straße von Man bis zur Küste nach San Pedro (ca. 400 km) wird sehr stark von schweren Lkw’s befahren. Sie transportieren Erde aus den Nickelminen zur Küste. Diese Kolosse, weitere 40 Tonner und Kleinbusse machen uns das Leben schwer. Sie stauben uns auf der schlechten Straße ein, versorgen uns prima mit ihren schwarzen Dieselabgasen und hupen uns laut an, so dass wir uns auf die Straßenseite retten. Martin ist der Meinung, dass hier der „Wilde Westen““ herrscht und sie einen über den Haufen fahren würden. Täglich sehen wir Unfälle in die die großen Lkw verwickelt sind. Zusammenstöße oder umgekippte Lkw in der Pampa. Vor allem bei Regen, wenn sie mit ihren glatten Reifen oder halbplatten Reifen über den Asphalt rasen.

Dazu kommt die unerträgliche Hitze, Luftfeuchtigkeit und mittlerweile immer wieder ein Gewitter.
Auch die Einheimischen stöhnen unter der Hitze und sind der Meinung, dass viel zu viel abgeholzt wurde und sich das Klima geändert hat. Schatten spendende Bäume gibt es so gut wie keine mehr.
Auch soll sich die Regenzeit erheblich vorverlagert haben. So seien wir jetzt schon am Anfang der Regenzeit, mit der laut alten Reiseführern erst im Juni zu rechnen ist.

normale Dorfszene

Wir geben Gas und radeln pro Tag unsere 100 km, um möglichst schnell an die Küste bei San Pedro zu kommen. Das hat sich gelohnt. Uns erwartet ein schöner, sauberer Strand mit Palmen und vielen Restaurants (mit Strom!= kaltes Bier), ein ruhiges Hotel mit AC und relativ besseres Essen.
San Pedro hatte den Spitznamen „Ibizza Westafrikas“ vor dem Krieg.
Am Wochenende ist der Strand von Einheimischen gut besucht. Es wird Fußball gespielt, flaniert und viele Verkäufer preisen ihre Ware an. Am Montag ist der Strand wie leer gefegt.
Frühstücken tun wir an unserer kleinen Boutique um die Ecke. 2 Kaffee, 2 Wasser und 2 Sandwichomlettes für 1,50 Euro.

unser Kiosk in San Pedro

Vor San Pedro hat Martins hinterer Reifen den zweiten Platten. Die Ursache dafür finden wir nicht. Tags darauf ist der Reifen wieder platt. Beim vierten Mal reicht es dann. Nach ewiger Suche finden wir die Ursache. Ein mini Stück Draht von einem geplatzten Lkw-Reifen. Ein paar Tage später ist Agnès wieder dran. Auch ein kleines Stück Draht war die Ursache. Nun steht es 4:2 für Agnès.

Die Küstenstraße von San Pedro bis Dabou ist löchrig und staubig, wenn es nicht regnet. Am 3.3.2020 als wir San Pedro verlassen, scheint die Sonne und es ist staubig heiß. Doch dann um die Mittagszeit setzt starker Regen ein. Nach zwei Stunden Pause und Diskussionen mit Einheimischen über das Traumland Deutschland geht es weiter. Ohne Staub, aber dafür im Schlamm. Es ist unglaublich wie sich so eine Straße binnen zwei Stunden, wie ein Chamäleon, verändern kann. Der Schlamm ist nicht nur unglaublich rutschig, so wie Schmierseife oder fast wie Glatteis, sondern er setzt sich auch zwischen Rad und Schutzblech fest, blockiet Reifen und Bremsen. Speziell Agnès erwischt es hart, denn sie weicht einem Lkw aus und glitscht in noch tiefere Gefilde. Ab da sieht sie aus wie eine rote Tonfigur. Kleidung, Hände und Beine, Rad und Taschen – alles voller roter Schlamm.

Schlammpiste nach San Pedro

Abends in Sassandra bei einem Hotel angekommen ist schnell eine Lösung gefunden. Zwei Jungs wollen unbedingt unsere Räder waschen. Und so wird es dann auch gemacht. Wir sind die Arbeitgeber und die Jungs schrubben und bürsten unsere Räder mit schaumendem „Omo“.
Abends sitzen wir unter Kokospalmen am Strand und genießen Pommes frites mit Ivoire black.

Trotz einem 5-stündigen Regenguss in Fresco kommen wir gut weiter, denn tags darauf ist die Straße zwar noch feucht aber nicht mehr matschig. Wir nehmen uns nun täglich ein Hotel mit AC. Das letzte Mal gezeltet haben wir vor San Pedro.

Richtung Abidjan nehmen riesengroße Kautschuk- und Palmölplantagen zu

Die Landschaft bis Abidjan, der 4 Millionenstadt, ist eintönig. Stundenlang pedalieren wir durch Palmölplantagen oder vorbei an Kautschukbäumen. Doch dann am Sonntag, den 8.3. erreichen wir unser Ziel und radeln, vorbei an Slumsiedlungen auf Abfallbergen, in das normale Chaos der Großstadt hinein.
Nach einigem Suchen finden wir ein Hotel im District Marcory. Von hier aus wollen wir uns Kartons für unsere Räder besorgen und sie verpacken. Ab hier sind es nur noch 10 km bis zum Flughafen und nur noch 4 Tage bis zu unserem Flug nach Lissabon.

unser fast tägliches Frühstück seit Guinea – leckeres Bananenbrot

Ja, unsere Reise geht nun zu Ende. Wir sind vom 6.11.2019 bis 12.3.2020 insgesamt 7.614 km geradelt. Hatten 6 Platten und eine kaputte Bremse. Die Fahrräder haben ansonsten super durchgehalten – und diese Tour war das härteste Training für sie.
Wir haben 49 Mal wild gezeltet. Der Rest der Übernachtungen verteilt sich auf Campingplätze und Hotels. Unser Aldizelt lassen wir in Abidjan zurück. Etliche Plastikverschlüsse an Taschen und Reißverschlüssen haben stark gelitten, wurden porös und zerbröselten einfach irgendwann. Unsere Oberbekleidung erbleichte bei all dem Chaos und löste sich auf.
Bis auf je eine leichte, sehr kurze Magenverstimmung haben wir uns keine Krankheiten eingefangen. Dafür haben wir tonnenweise Abgase inhaliert und Staub geschluckt. Wir haben viele neue Erfahrungen gemacht und sind aber auch richtig froh wieder in das Traumland der Afrikaner, also nach Hause, zurück zu fliegen.
TIA this is afrika. TWA this was afrika.

Fotos zu Elfenbeinküste:

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