Guinea 2020

Guinea – eine große Räucherkammer

Am 1.2.2020 passieren wir nach kurzen Einreisekontrollen die Grenze und fahren auf einer ziemlich neuen Asphaltstraße in Richtung Koundara. Schon nach wenigen Kilometern umgeben uns stinkende Rauchschwaden. Rechts der Straße brennt es! Doch es scheint niemanden zu interessieren, obwohl alles sehr trocken ist. Bald wird uns klar, dass hier absichtlich Brandrodung betrieben wird. Dies ändert sich auch während der gesamten Durchquerung von Guinea nicht mehr. Brandrodung gibt es bei jeder kleinen Siedlung. Einst grüne Flächen sind schwarz, die Luft rauchig stickig. Regenwald und Dschungel adé. Wie uns gesagt wird, sind die Monate Januar und Februar ideal dazu. Wozu Brandrodung? Die einen wollen freie Flächen für Äcker, Plantagen und ihr Vieh, andere stellen Holzkohle her oder verkaufen Hartholz. Maschinen um den Wald so zu roden gibt es nicht, also wird kurzerhand Feuer gelegt. Der Guineer besitzt eine Machete, die wenigsten eine Axt. Die ganze Familie, auch die Kleinsten, helfen mit.

an der Grenze die ersten Hinweise

Wie gesagt, verlief die Einreise ohne Probleme. Doch in Sambailo gibt es zwei Kontrollstellen. Bei der ersten winkt uns der Polizist vom Zoll rechts ran. Er möchte unser „carnet“ sehen. Ein carnet für Fahrräder? Davon haben wir noch nie gehört. Wir erklären ihm, dass das was er vor sich sieht Fahrräder sind und wir dafür kein carnet benötigen. Er lacht und aus und erkundigt sich bei seinem Chef. Nach einigem hin und her ist klar, dass wir – auch ohne carnet . weiterfahren können. Allerdings sollen wir uns bei der Polizeistation gegenüber melden. Dort angelangt, werden wir sofort weitergewunken. So das wars, denken wir…..
Fünf Minuten später sehen wir die nächste Kontrollstelle. Wieder werden wir gestoppt und unsere Pässe werden verlangt. Umständlich trägt ein Funktionär unsere Daten in ein dickes, sicher unglaublich wichtiges Buch ein – Agnès hilft ihm dabei. Danach beginnt eine unendlich lange Diskussion über die Gültigkeit unseres Visums. Martin möchte seinen Pass wieder haben und zieht an der einen Seite, der Funktionär an der anderen Seite. Der Visumstempel ist schon ganz verwischt. Erst als Agnès nachdrücklich darum bittet die Botschaft in Banjul anzurufen, beendet ein Chef die Diskussion und gibt uns Recht. Endlich geht es weiter.
Alle weiteren Kontrollen, bei denen eine über die Fahrbahn gespannte Schnur mit bunten Plastiktüten, die bei Bedarf hochgezogen wird, den Verkehr stoppen, verlaufen harmlos. Meistens möchte man einfach mit uns reden – aus Langeweile oder aus Neugier.

Schnell wird uns klar, dass die Guineer Meister des Transportes sind!

Meister des Transportes

Private Autos gibt es so gut wie keine, aber Ferntaxis, Kleinbusse, Mopeds, Taximopeds und Lkw jede Menge. Und diese werden voll geladen. Voller geht nicht! Jeder Zentimeter wird vollgestopft. Auf das verschnürte Gepäck auf den Autodächern klettern bis zu fünf Menschen. Auch diese werden mitgenommen. Oft ist die Zuladung doppelt so hoch wie das Auto selbst und man könnte meinen, dass es in der nächsten Kurve umfallen wird. Es wird gerast und gehupt, Schlaglöcher werden rasant umfahren und wir werden in roten Staub gehüllt.

Die Suche nach einem Zeltplatz ist nicht immer einfach, denn wir wollen sicher gehen, dass wir nicht Opfer der Brandrodung werden. So zelten wir beispielsweise in angelegten Cashewplantagen, oder am Rand von bereits abgebrannten Gebieten. Bald stinkt unser Zelt wie ein altes Indianertipi nach altem Rauch.

ein ruhiger Platz bei Kounsitel

Unsere erste Nacht in einem Hotel in Guinea verbringen wir in Koundara. Wir nennen es ein Stundenhotel, denn es gibt stundenweise Strom über ein Aggregat und klares Wasser aus dem Eimer, das nach Bedarf aus einem Brunnen nachgefüllt wird. Dies ändert sich auch die nächsten Wochen nicht, denn Strom ist in Guinea Mangelware. Ein Stromnetz wie wir es kennen existiert nicht. Der Schneider bügelt seine Stoffe mit einem Holzkohlebügeleisen!

Ladestationen für Handys in der Stadt gegen Entgeld

Wer im glücklichen Besitz eines Stromaggregats ist, bietet Aufladestationen für Handys an oder stellt seinen Fernseher zur Übertragung der Championsleague Spiele gegen eine geringe Gebühr zur Verfügung. Auf jeden Fall sind wir froh ein einigermaßen kühles und leckeres Bier im Hof des Hotels trinken zu können. Unser erstes Guilux, in Guinea gebraut.

Eine Sensation ist ein bestimmter, riesengroßer Baum an der Hauptstraße in Koundara. Warum sich tausende große Flughunde gerade diesen Baum, an der stark befahrenen Straße, ausgesucht haben, wird uns ein Rätsel bleiben. Sie hängen kopfüber in den Ästen und flattern mit den Flügeln. Ein unheimlicher Anblick, doch soviel wir wissen sind sie Vegetarier.
Bei Beginn der Dämmerung beginnt dann das ganz große Spektakel! Tausende, weiße, laut kreischende Kuhibisse kommen in Schwärmen angeflogen und lassen sich gerade in diesem Baum nieder. Diese unangenehmen Zeitgenossen wecken die Flughunde auf, die sich nun lautlos, hoffentlich ausgeschlafen, in die dunkle Nacht verziehen. Am nächsten Morgen werden wir Zeugen des umgekehrten Vorgangs. Die müden doch satten Flughunde nehmen ihre Plätze wieder ein und die Ibisse werden verscheucht.

Flughunde hängen zu tausenden nur in diesem Baum

Nach Koundara wird es bergiger und anstrengender. Bei Temperaturen um die 44 Grad in der Mittagszeit schwitzen wir nicht schlecht und es geht ständig hoch und runter. Doch in der Nacht kühlt es ab und wir können uns bei 15 bis 18 Grad wieder erholen. Auch duschen wir uns abends und morgens regelmäßig ab. Für diesen Zweck haben wir unsere vier Liter-Beutel, die wir in die Bäume hängen.
Bald gibt es auch keine 1,5 Liter Wasserflaschen mehr zu kaufen und wir gewöhnen uns daran das Wasser aus den Pumpenbrunnen zu trinken, welches wir mit unserem UV-Stick behandeln. Im Schnitt trinken wir -ohne Kaffee oder Tee- so an die 15 Liter gemeinsam!

leckere Ananas

Tolle Durstlöscher sind auch die leckeren Orangen, Mangos oder Ananas. Alles für ein paar Cent zu bekommen. So kostet eine süße Manogo gerade mal 15 Cent.

Vor Labé treffen wir den jungen Griechen Angelo mit seinem Fahrrad. Er ist seit einem Jahr in Afrika unterwegs. Agnès denkt sich „oh sieht der aber schmuddelig aus. So haben wir nach unserer zweijährigen Reise niemals ausgesehen“. Nicht nur sein Rad, auch seine Bekleidung und seine Haut ist völlig rot verstaubt. Ein paar Stunden später sehen wir genauso aus!
Wir haben 25 km rote Piste, fast nur bergauf, hinter uns. Steine, Sand und große Löcher.. Roter Pulverstaub dazwischen oder darauf – staubig, weich wie 405er-Mehl beim Bäcker, nur rot halt. Und roter Staub in der Luft, der sich auf unsere schweißnasse Haut legt, denn wir sind nicht die Einzigen dort. Lkws, Taxis, Motorradtaxis kommen uns entgegen oder überholen uns und machen uns und unsere Ausrüstung zu Rothäuten. Unsere armen Räder werden zu quietschenden Drahteseln degradiert.

Rothäute nach der Piste

Gut dass wir in Labè den Deutschen Jürgen treffen, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln reist, mit dem wir den roten Staub mit ein paar Bierchen runterspülen. Das Lokal dazu finden wir nach kurzer Suche im hinterletzten dunklen Hinterhof in einem kleinen schummerigen Keller.

Ein Höhepunkt nahe unserer Strecke sind die Wasserfälle bei Pita. Um die 18 km Piste, die über Stock und Stein führt, zu bewältigen müssen wir uns ein Moped inklusive Fahrer mieten. Dann geht es rasant zur Sache. Zu dritt auf dem Moped – Agnés in der Mitte! Kein Berg ist zu steil.

oberhalb des Wasserfalls mit super Blick

Das Klima – bisher hat es nachts immer gut abgekühlt – ändert sich nach Mamou schlagartig. Es kühlt nun nachts nicht mehr ab und es hat rund 10 Grand mehr und ist wahnsinnig schwül. Nur hier findet sich noch etwas Dschungel, der „forêt de Ziama“, in dem es Zwergelefanten und Schimpansen geben soll. Die Vegetation ist beeindruckend, doch für uns ist es nun doppelt so anstrengend, denn wir trocknen so gut wie nicht mehr.

Bambuswald vor Macenta

Im Süden von Guinea wird hauptsächlich Palmöl hergestellt. Täglich radeln wir an kleinen Palmöl-Betrieben vorbei. Es riecht für uns unangenehm, denn die Palmfrüchte werden in großen Ölfässern auf Holzkohle gekocht und zwei Stunden später gepresst. Eine unangenehme Arbeit, die vor allem von Frauen ausgeführt wird, während die Männer mit Gestellen in die Palmen klettern, um die Früchte zu ernten.

Pause in einer Palmölplantage. Agnès desinfiziert Wasser.

Heute ist nicht Martins-Tag:
Schön, dass wir ein Zimmer in einem Hotel finden, noch dazu mit saußendem.Ventilator vor dem Bett, denn es ist drückend schwül. Nur blöd, dass wie schon des öfteren, mitten in der Nacht der Strom abgestellt wird. Es ist kaum mehr auszuhalten und die ersten Moskitos tauchen auf, um unsere schweißgebadeten Körper anzusaugen. Da hilft auch kein Autanspray mehr. Schlecht gelaunt, bauen wir um 02.30 Uhr unser Zelt vor dem Hotelzimmer auf und suchen darin Schutz. Heiß bleibt es trotzdem. Noch ziemlich müde, zieht Martin am nächsten Morgen seine Schuhe an. Da stimmt was nicht. Es klemmt. Zwei Fühler schauen heraus. Eine Monsterkakerlake im Schuh! Mittlerweile etwas zerquetscht, wird sie herausgeschüttelt und sie humpelt davon.
Der Fahrtwind kühl uns etwas und die Mittagszeit rückt näher. In einer Essbude bestellen wir Reis mit Sauce. Martin mit Fleisch und Agnès mit Fisch darin. Beim Essen tropft uns der Schweiß im Sekundentakt auf unsere frisch gewaschenen Klamotten, doch wir sind froh, dass es Besteck zum Essen gibt. Für die „Weißen“ halt. Der Guinéer isst mit Händen, oft zu mehreren vom gleichen Teller. Natürlich wird auch der Trinkbecher geteilt. Vom Corona-Virus spricht hier keiner – gibt es hier wohl nicht. Dafür spricht Agnès von einer großen erlegten Riesenratte, die sie bei Kindern am Straßenrand gesehen hat. Sie haben ihre Trophäe stolz hochgehalten – aber als Trophäe eben – oder? Wir sind mit Essen fertig, bezahlen zusammen unsere 1,50 Euro und wollen weiterradeln. Martins Blick fällt auf ein Tier dessen Fell gerade abgezogen wurde. Eindeutig eine Riesenratte! Unsere Köchin freut sich. Die nächste Mahlzeit ist gesichert.
Martins vernachlässigtes neues Motto: Immer in die Schuhe schauen und beim Essen auf möglichst dicke Knochen achten!
Solche gejagten Monsterratten sehen wir noch mehrmals. Sie werden am Straßenrand zum Kauf angeboten.

Restaurant in Nzerekore

Am 20. Februar kommen wir nach Lola. Dieser Ort liegt unweit der Grenze zu Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste). Diese Grenze wollen wir unbedingt noch vor dem 1. März passieren, denn an diesem Tag findet in Guinea ein Referendum statt. Der derzeit amtierende 82-jährige Präsident strebt eine dritte Amtszeit an, welche jedoch von der Verfassung nicht vorgesehen ist. Während unserer gesamten Zeit in Guinea werden wir mit diesem Thema konfrontiert, denn es finden Wahlveranstaltungen und Gegendemos statt. Nicht immer lässt es sich vermeiden, dass wir uns mitten in solchen Veranstaltungen finden. Auch radeln wir in Pita an den Ruinen der abgebrannten Gendarmerie und einigen ausgebrannten Fahrzeugen vorbei. Während unseres Aufenthalts in Lola werden von der Polizei erschossene Demonstranten beigesetzt und manche Straßenabschnitte wurden mit Baumstämmen blockiert. Höchste Zeit, dass wir das Land verlassen, was am 21.2. auch ohne Probleme klappt.
Später erfahren wir, dass die Grenze wohl zeitweise geschlossen wurde, da es heftige Auseinandersetzungen, wieder mit Toten gegeben haben soll. Das Referendum sei wohl gescheitert und die Polizei hätte Wahlverweigerer in ihren Häusern erschossen. Arme Bevölkerung, denn alle mit denen wir sprachen, wollten diesen alten Präsidenten nicht mehr haben. Es ist auf jeden Fall schwierig an gesicherte Informationen zu kommen, denn Zeitungen sehen wir weder in Guinea noch – abgesehen von Abidjan – in der Elfenbeinküste. Und das TV ist zensiert und es läuft sowieso nur Fußball….

frittiertes Bananenmus – lecker

Fotos zu Guinea:

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