Mauretanien 2019

Mauretanien – Ça va? Ça va!

Die Ausreise aus Marokko geht schnell. Zwei Passkontrollen und einen Stempel abholen, das war’s. Wir fahren auf einer neuen asphaltierten Straße weiter – rechts und links der Straße stehen viele Lkws, teilweise haben die Fahrer Wäscheleinen zwischen ihren Lkws gespannt. Sie scheinen sich auf lange Wartezeiten einzustellen. Sie leben im Müll, vor allem im Plastikmüll, den es im 4 km langen Niemandsland massenhaft gibt.
Agnès schwärmt gerade über die gut asphaltierte Straße und meint: „man kann sich gar nicht mehr vorstellen, wie es früher mit Piste so war….“, kurz danach endet der Asphalt. Noch 2 km durchs Niemandsland bis zur mauretanischen Grenze. Es gibt mehrere Pisten die dorthin führen. Früher (oder noch immer?) gab es links und rechts dieser Pisten Minen und ein Führer zeigte einem den Weg. Heute ist man auf sich selbst gestellt. Wir halten uns streng an die Fahrspuren der Anderen, so dass uns nichts passieren kann. Trotzdem ist es recht mühsam, denn harte Steinflächen wechseln sich mit weichen, tiefen Sandlöchern ab. Ausgeschlachtete Autowracks säumen rechts und links die Pisten.

im Niemandsland nach Marokko

Nach einigem Schieben kommen wir endlich an der Grenze an, wo uns Geldwechsler, SIM-Karten Verkäufer und korrupte Grenzpolizisten freundlich empfangen. Erwarten sie das große Geld? Bei den Grenzformalitäten will man uns gerne behilflich sein – gegen Gebühr natürlich. Wir lehnen ab und nehmen es selbst in die Hand. Agnès stellt sich in die erste Warteschlange bei der Einreisepolizei. Hoppla, Leute hinter ihr, werden bevorzugt. Wie kann das sein? Verdeckt wechseln Geldscheine die Besitzer und schnell ist ihr klar, dass sie so nicht weiterkommt. Erste Lektion: frech sein. „This is Africa!“ Agnès legt unsere Pässe einfach ganz oben auf den Stapel und drängt sich vor. Es funktioniert! Der Grenzer überträgt unsere Daten auf einen Schmierzettel, um sie dann davon wieder in den Computer einzutippen…
Danach geht es zu der Stelle die für das Visum zuständig ist. Die dort Wartenden stehen schon seit 4 Stunden in der Schlange. Wir haben Glück. Die Mittagspause und die Siestapause sind vorbei- es wird nur noch Tee getrunken. Gut, dass die Teegläser so klein sind. Nach zwei Stunden, haben wir unsere Fingerabdrücke abgegeben, Fotos gemacht und für 55 Euro wird uns das Visum in den Pass geklebt. Unserer Einreise nach Mauretanien – korrekt Islamische Republik Mauretanien – steht nun nichts mehr im Weg.

Nouadhibou werden wir vor Einbruch der Dunkelheit nun nicht mehr erreichen, so dass wir uns 40 km davor einen Zeltplatz suchen. Es windet sehr stark und es gibt nichts Grünes – nur Sand und Staub. Einen windstillen Platz finden wir nicht, dafür Gott sei Dank viele größere Steine, mit denen wir unser Zelt stabilisieren können.

erster Platz in Mauretanien, viel Wind viel Sand

Unsere frisch geputzten Ketten und Ritzel und das Zeltinnere werden eingesandet. Schade. Alle Zeltplätze die wir noch finden, sind super und wir sehen jeden Abend einen spektakulären Sonnenuntergang und in der Nacht unendlich viele Sterne bis zum Horizont. Einmal zelten wir mitten in der Wüste zwischen Dünen und Akazien. Bei Einbruch der Dämmerung werden die Akazien plötzlich von unglaublich vielen Libellen umschwirrt. Ein tolles Schauspiel.

Auf dem Weg nach Nouadhibou treffen wir den jungen Chinesen Pen, der in Kashgar vor 8 Monaten losgeradelt ist. Sein Ziel – Südafrika. Man tauscht sich aus und weiter geht es.

Die Kontrollstellen der Police Nationale und Gendarmerie werden im Vergleich zu Marokko hier eher lasch gehandhabt. Ab und zu wird nur ein kurzer Blick in den Pass geworfen und wir werden weiter gewunken. Bei sämtlichen Kontrollen sind die Gendarmen freundlich. Auch bei den Übernachtungen in den Auberges werden wir nicht registriert.

Vor Nouadhibou kommen wir am Viehmarkt vorbei – Dromedare, Ziegen und Kühe werden da hauptsächlich gehandelt.

beim Viehmarkt Nouadhibou

beim Viehmarkt Nouadhibou

Nouadhibou erstickt im Staub und in den Autoabgasen. Die Seitenstraßen sind ungeteerte Pisten, viele Autos nach europäischem Maßstab schrottreif. Aber irgendwie funktioniert doch alles einigermaßen. Wir haben auf jeden Fall das Gefühl in Afrika angekommen zu sein. Die Kinder die uns auf unseren Rädern sofort als Touristen erkennen, laufen uns winkend und rufend entgegen. Viele verlangen nach einem „cadeau cadeau“ (Geschenke/Geld) oder „stylo“ (Kuli). Andere wollen uns einfach anschauen.

vor der Auberge Sahara in Nouadhibou

Nach einiger Sucherei finden wir die Auberge Sahara, mitten im Geschehen. Jungs spielen in den staubigen Straßen Fussball, Männer in ihrer mauretanischen Bekleidung knien betend auf der Straße, bunt vermummte Frauen huschen vorbei. Wir finden ein kleines Restaurant, das von einer Senegalesin betrieben wird, zwei Tische, aber es wirkt sauber. Wir bestellen das einzige Gericht, das es gibt – Thiebou-Dienne – einen Teller voll gewürzten Reis, verschiedene Gemüse und Fisch. Lecker! Das ganze für 50 Ouguiya (1,25 Euro).

leckeres Thiebou Dienne

Tags darauf radeln wir zum Cap Blanc mit seinem hellen Sandstrand, mitten in der Wüste. Wir sehen den Erzzug, den längsten Zug der Welt, mit seinen etwa 180 Wagen. Ganz schön laut und staubig. Wir entscheiden uns, entgegen unserer ursprünglichen Absicht, den Zug doch nicht zu nehmen. Wir wollen direkt nach Nouakchott radeln. Nochmals 500 km Wüste wird uns wohl reichen. Eine Zugabe muss nicht sein. Von Guelmim bis zum Senegal Fluss haben wir 2.200 km Wüste hinter uns.
Wind und Staub/Sand machen unseren Augen und Nasen zu schaffen. Durch den Steitenwind der kräftig bläst, werden wir durch überholende und entgegen kommende Fahrzeuge stark eingestaubt. Auch kommen wir nicht mehr so gut voran. Wen wundert es, dass wir uns auf etwas Grün oder ein Bier in Senegal freuen und schnell dahin wollen?

Nouadhibou-Weg zu Cap Blanc

Das Klima in Mauretanien? Es ist staubtrocken – auch nachts. Jedes gewaschene Kleidungsstück trocknet über Nacht. Ab 11 Uhr steigt die Temperatur auf 35 Grad, bis zur Mittagszeit auf 40 Grad an. Erst ab 17 Uhr geht es wieder unter die 35 Grad. Und um 18.30 Uhr ist es dunkel und angenehm. Der Wind bläst immer, verstärkt um die Mittagszeit und hauptsächlich aus Ost. Jeder von uns trinkt mindestens 5 Liter am Tag – der Durst ist kaum zu löschen.

Picknick in der Weite

Wasserversorgung? Trinkwasser in Plastikflaschen gibt es in jeder kleinen Boutique zu kaufen. Leider verursachen auch wir Plastikmüll, denn das Wasser aus dem Hahn/Schlauch/oder woher auch immer, schmeckt nicht sehr gut. Dieses nicht gekaufte Wasser desinfizieren wir mit unserem UV-Stick-Wasseraufbereiter, so dass wir noch keine Magen-Darmprobleme hatten. Für die längste Strecke ohne Versorgungsmöglichkeit haben wir 20 Liter Wasser auf den Rädern verstaut.
Die Millionenstadt Nouakchott – die Hauptstadt – hat selbst kein eigenes Wasser. Diese auf dem Reißbrett geplante Stadt ging von einer Einwohnerzahl von 20.000 Bewohnern aus. Das benötigte Wasser wird von den Brunnen in 70 km Entfernung mit Tanklastern in die Stadt gefahren und in die Wasserversorgung gepumpt.

Für Noudhibou gilt dasselbe. Das Wasser wird mit Tankwagen oder Eisenbahn aus etwa 100 km Entfernung herangefahren.

In den Auberges in denen wir immer wieder übernachten, duscht man sich, indem man sich mit einer Kelle Wasser aus dem Eimer über den Kopf schüttet.

unsere Auberge nach Nouakchott

Den Heiligen Abend verbringen wir in Chami, haben ein klimatisiertes Hotel und essen Huhn mit Frites und Spagetti. Es hätte auch anders kommen können, denn dieser Ort war nirgendwo auf unseren Karten oder bei mapsme verzeichnet und wir hatten nichts erwartet – außer Pampa. Was für eine tolle Weihnachtsüberraschung!

Die nächste nicht so schöne Überraschung kommt vor Nouakchott in Form einer Mückenplage auf uns zu. Wir fahren mit Moskitonetzen über dem Kopf, da sich viele tausende kleine Mücken auf uns setzen und auf uns herumkrabbeln. Sie lassen nicht locker und bedrängen uns einen ganzen Mittag lang. Wen wundert es, denn Tonnen gefangener Fische werden bei 40 Grad auf offenen Ladeflächen per Lkw transportiert. Immer wieder liegen tote Fische auf der Straße. Eine rote Fischblutsauce, die aus den Lkws läuft, verziert die Fahrbahn oder ganze Lachen voller Sauce bilden sich am Fahrbahnrand. Die ganze Gegend riecht nach altem Fisch. Hoffentlich wir nicht auch!

Wie toll ist es, nach all dem, beim Camping Sultan in den Atlantik und in die nicht ganz kleinen Wellen zu hopsen! Das tut gut und wir dürfen unser Zelt direkt am Strand aufbauen. Sand sind wir ja mittlerweile gewöhnt.

Caming Sultane

Nun sind es noch gut 200 km bis zum Senegal Fluss, davon 100 km auf gutem Asphalt. Danach wechseln sich Löcher und Sandkuhlen ab. Am 29.12.erwischt uns ein kleiner Sandsturm, bei starkem Seitenwind. Die Autos und wir fahren mit Licht. Wir werden nicht schlecht eingestaubt. An der nächsten Kontrollstelle erzählt uns ein Gendarme, dass wir in 18 km eine Stadt mit Restaurants, Herbergen und Läden erreichen werden. Damit setzt er für die nächsten eineinhalb Stunden eine Kettenreaktion in unseren Gehirnen frei: frisch gepresster Orangensaft? Leckeres Essen? Eine Dusche?….ohjemine…als wir ankommen, wird uns ein staubiges, vermülltes Sanddorf mit vielen Baustellen und großen Löchern mitten auf der Hauptstraße präsentiert. Das Restaurant das wir aufsuchen ist zwar geöffnet, doch der Koch liegt auf dem nicht gerade sauberen Boden, neben der Tür und schnarcht. Irgendwie zieht es uns weiter. Da kochen wir lieber selber, auch wenn es mal wieder 6 Minuten-Spagetti gibt. Der Wind lässt auch nach und kochen sollte kein Problem sein.
Am nächsten Morgen, werden wir bei unserem romantischen Zeltplatz von sechs frei laufenden Eseln begrüßt. Sie grasen um unser Zelt herum, neugierig schauend was wir so treiben.

vor Keur Macenne , schöner Zeltplatz an dem uns abends eine Gruppe Esel besucht

Immer wieder fragen wir uns, wie der Übergang von der Wüste zur Savanne oder üppiger Vegetation, am Senegalfluss, sein wird. Abgesehen davon, dass es mehr Gestrüpp und mehr Akazienbäume gibt, erfolgt der Übergang ziemlich schnell und abrupt. Kurz vor Keur Macene können wir das Wasser riechen und auf einmal ist alles grün. Was für eine Wohltat nach 3 Wochen Wüste!
Ein klasse Höhepunkt ist der Parc National du Diawling, der etwa 40 km von der senegalesischen Grenze entfernt liegt. Ein Paradies für Vögel, Wasservögel, Flamingos, Pelikane und dem Warzenschwein. Da wir sowieso nicht über Rosso fahren wollen ist die Strecke auch noch 100 km kürzer als auf der N2 – allerdings als staubige Piste. Es lohnt sich! Es ist Klasse! Wir sehen gigantische Vogelschwärme, als wir abends bei der verlassenen Parkstation Nord zelten. Es ist unbeschreiblich wie die Schwärme ihre Richtung wechseln. Innerhalb von Sekunden sieht man den Schwarm nicht mehr, dann kommt er wie ein Feuerwerk auf einen zu.
Noch besser wird es tagsdarauf. Schon beim Frühstück kommen die ersten Vogelschwärme aus allen Richtungen zurück und sammeln sich bei den Getreidefeldern hinter der Station. Was für ein Spektakel. Und dieses Spektakel bleibt auch während der nächsten 20 Kilometer bestehen: ein Vogelschwarm jagt den anderen, riesige rosa Flamingo-Kolonien stehen im seichten Wasser und bewegen sich gleichzeitig in dieselbe Richtung. Wir beobachten einige fette Warzenschweine, teils mit 4 Frischlingen, die vor uns flüchten oder ungeniert weiterfressen. Wir könnten den ganzen Tag hier verbringen.

-Parc National du Diawling, Warzenschwein

Interessant sind auch unsere Stopps bei den Fischern, die hier noch nach traditioneller Art, mit kleinen Netzen und Eimern zu Fuss im hüfthohen Wasser fischen – oder aus der Pirogge heraus. Die Fische werden ausgenommen und drei Tage lang auf Holzgestellen in der Sonne getrocknet. Nachts, so wird uns erzählt, kommen die Pelikane – sie sind auf Diebestour.

Fischer im Parc National du Diawling

Am 31.12.2019 erreichen wir am Nachmittag die Grenze am Senegalfluss. Die Ausreise aus Mauretanien ist in 10 Minuten erledigt, den kostenlosen Einreisestempel in den Senegal bekommen wir ebenso schnell.

Wir sind gespannt wo und wie wir Silvester verbringen werden. Wird irgendwo überhaupt gefeiert? Wir wissen es nicht.

Fotos zu Mauretanien:

106-mauretanien-parc-national-du-diawling-voegel

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