Gansu: Seidenstraße bye bye
Mit dem Bus reisen wir in 8 Stunden von Hami nach Jiayuguan, wo wir die Große Mauer sehen wollen. Die Wüstenlandschaft zieht sich bis kurz vor Jiayuguan, dann wird es stechend grün und die Stadt selbst hat viele schöne Parks. Wir checken im Yuesheng ein; kein Mensch im Hotel spricht ein Wort Englisch. Abends sind wir in der Fußgängerzone, der sogenannten „Fressmeile“ unterwegs. Hier reiht sich ein Straßenlokal an das andere und bunte blinkende Leuchtreklamen erhellen die Szene. Die Chinesen bestellen kartonweise warmes Bier (12er Pack) und essen Fleisch im Übermaß. Wie die Tische und der Boden hinterher aussehen ist unbeschreiblich.
Wir radeln zu der berühmten Festung von Jiayuguan und machen noch zwei weitere Ausflüge zu Abschnitten der Großen Chinesischen Mauer inklusive Museum. Faszinierend ist es schon die Große Mauer direkt vor sich zu sehen.
Die Große Mauer ist eng mit dem Handel an der Seidenstraße verknüpft, denn sie schützte die Kaufleute vor den Mongolen aus dem Norden und Turkvölkern aus dem Westen. Hier in Jiayuguan verläuft der westlichste Abschnitt der Mauer. Das Westtor diente dazu unbeliebte Bürger oder Kritiker in die Wüste zu verbannen.
Die Festung liegt in der Mitte des Tales, dem Hexikorridor, von wo aus die Mauer in beide Richtungen bis zu den Bergen und darüber hinaus verläuft.
Unsere Campusräder werden auf das Dach des großen Sleeperbusses gezogen, festgezurrt und schon geht es los. Wir verbringen 760 km bis Lanzhou über Nacht im Bus. Bei Regen kommen wir in Lanzhou an, übergroße Pfützen erschweren uns das Vorwärtskommen, doch das Wetter bessert sich. Wir tun uns schwer, in der fast 4 Millionenstadt, die Landstra0e nach Lintao zu finden. Jeder zeigt in eine andere Richtung. Doch nach ca. 2 Stunden sind wir auf dem richtigen Weg, der leider stetig nach oben führt. Es ist schwülwarm doch die Landschaft ist sehr schön. Bepflanzte Terrassen, chinesische Bauern pflegen ihren Anbau. Bald wird die Straße zur Baustelle, abwechselnd Schlaglochschotterpiste und Schlammlöcher. Wir werden entweder eingestaubt oder verschlammt, und das auf einer Strecke von 40 Kilometern.
Zu den chinesichen Autofahrern:
es wird gehupt und gedrängelt. Die Chinesen würden auch den Worldcup für Dauerhupen gewinnen. Vom kleinsten Elektroroller bis zum gigantischen 6-Achser – mit Hupen wie ein Dampfer – meint jeder Fahrer an jeder Kurve, an jedem Ortseingang, bei jedem Überholen, bei jedem Fußgänger ……hupen zu müssen. Selbst beim Einfahren auf eine Baustelle wird wie wild gehupt, aber nicht gebremst. Motto: immer hupen, nicht bremsen. Auf den Straßen sind sämtliche Automarken unterwegs, aber vor allem europäische, japanische und chinesische neue Nobelkarossen. Ja, wir sind im kapitalistischen Kommunismus unterwegs.
In Gansu sind wir im richtigen China angekommen. Es gibt nur noch chinesische Schriftzeichen. Auffallend für uns, nach den moslemischen Ländern, sind die vielen Frauen die am Leben in der Öffentlichkeit teilnehmen. Hier wird es einem so richtig bewusst, dass in den sogenannten „Stan-Ländern“ die Frauen von der Bildfläche verschwunden waren. Gegensätzlicher geht es kaum, denn hier arbeiten sie auf dem Bau und beim Straßenbau genauso mit wie die und die Mode in den Städten, sprich highheels, kurze Hosen oder Miniröcke, sind wir schon lange nicht mehr gewöhnt. Und je heller die Haut desto höher die Absätze. Speziell die Rad- und Rollerfahrerinnen mummeln sich bei warmem Wetter mit Handschuh und Kopftuch ein, um ja nicht braun zu werden.
Unser Weg führt uns durch viele Lehmdörfer und vorbei an unzähligen Feldern. Es wird überwiegend Getreide, Mais, Soja und Gemüse angepflanzt. Reisfelder? Sehen wir die ersten drei Wochen gar keine.
Abseits der Autobahnen und der gepflegten Parks in den Städten sehen wir schnell wohin der chinesische Müll wandert. Jedes Flussbett ist völlig vermüllt. Nicht einzeln hineingeworfener Müll, nein, die ganzen Ladungen aus den Müllcontainern wandern in das Flussbett! Kein Fluss ohne Müll bei den Dörfern. Die Abfälle die wir in die oft vorhandenen Mülleimer werfen, nachdem wir sie stundenlang herumfuhren, werden wohl auch im Flussbett landen…
Orientierung? Wir fotografieren die chinesischen Schriftzeichen aus dem Reiseführer oder von der Landkarte oder Straßenschildern ab und zeigen unterwegs den Leuten das jeweilige Foto, wenn wir nicht mehr weiter wissen. Sehr oft kommt es vor, dass ältere Frauen nicht lesen können. Wir sind schon erstaunt über die vielen Analphabeten.
Bei Lomen machen wir einen Abstecher zum Lashao Tempel, mit seinen 42,3 Meter hohen Buddha-Wandmalereien, mitten in einer 500 m hohen, wie aus dem Nichts, herausragenden Bergkulisse. Hier gibt es eine Vielzahl von Tempeln und Höhlen die besichtigt werden können und nach 3 Stunden schwingen wir uns voller Eindrücke wieder auf unsere Räder.
Die Fahrt am nächsten Tag entlang der „Roten Berge“ ist sehr schön und wir sehen immer wieder Felsentempel hoch oben an den senkrechten Hängen.
Eine weitere größere Tempelanlage möchte von uns besichtigt werden. Der Daxian Mountain Rock Cave Komplex, der sich über einen langen Bergrücken nach oben zieht. Eine Höhle namens „Buddha Cave“ mit etlichen teils kitschigen, teils dämonenhaften Figuren ist besonders erwähnenswert.
Bei der Besichtigung dieser Höhle geht das Licht aus. Wir denken: Aha, mal wieder Stromausfall in China. Wir warten, doch als nichts geschieht, tasten wir uns im Dunkeln an den Figuren vorbei zurück in Richtung Eingang. Ein spärliches Notlicht beleuchtet die Szenerie bei der Tür. Kein Mensch weit und breit. Schnell stellen wir fest, dass auf der anderen Türseite ein Vorhängeschloss montiert wurde. Wir sind in der kühlen Höhle eingechlossen! Wir rufen, schreien, klopfen, treten gegen die Tür, treten noch wilder dagegen….nichts geschieht. Die Holztür aufzubrechen ist nicht so einfach wie gedacht, obwohl sie oben eine Öffnung hat. Irgendwie sind wir doch nicht so wie Jackie Chan. Irgendwann, es kommt uns wie eine Ewigkeit vor, kommt der Aufseher der unseren Lärm gehört hat. Er schliest nicht sofort auf, denn er sieht uns durch die Öffnung: zwei wütende Ausländer – ähnlich wie die Dämonen in seinem Kabinett. Er faltet die Hände und bittet erst um Entschuldigung – dann schliesst er uns auf.
So können wir doch noch den 23,3 m hohen Buddha oben am Bergrücken besichtigen.
Wir gehen essen:
Wir haben eine Auswahl an chinesischen Schriftzeichen mit Aussprache für verschiedene Gerichte gesammelt. Unsere Versuche diese Wörter verständlich anzuwenden scheitern kläglich. Also zeigen wir die Schriftzeichen vor. Auch dies klappt nicht, da jedes Lokal eine andere Spezialität kocht. Bei manchen Lokalen ist es recht einfach, denn es gibt ein Menü mit Fotos zu den Speisen. Am einfachsten geht es in kleinen Lokalen in dem andere Gäste bereits essen. Wir zeigen der Bedienung einfach dass wir dasselbe wollen. Wir haben auch schon aufgegeben und das Lokal wieder verlassen, nachdem gar nichts ging.
Einmal landen wir versehentlich in einem Nobelrestaurant mit viel schicker Bedienung. Natürlich kann wieder niemand Englisch, doch es gibt eine Speisekarte mit vielen Fotos. Wir bestellen Nudeln (sie sind immer selber gemacht und lecker) und Hähnchenteile mit „Sauce“. Es dauert nicht lange und wir bekommen einen großen 4 Liter-Topf mit Brühe, Muskatnüsse und andere Gewürze, zusammen mit unseren rohen kalten Nudeln. Der Topf wird in der Mitte des Tisches auf eine Platte gestellt und erhitzt. Wir werfen unsere Nudeln in das kochende Wasser, schlürfen bald unsere Nudeln und die Brühe. Die Chef-Bedienung kommt bald an den Tisch, denn irgendwie machen wir ein klägliches Bild. Er nimmt Martin mit in die Küche und zeigt die vielen Zutaten, die normalerweise in den Topf gehören. Eigentlich wird uns erst jetzt so richtig klar, dass wir ein Fondue bestellt haben und wir ordern noch einige Zutaten. Ab in den Topf!
Auf dem Weg nach Tianshui kommen wir durch eine Monokultur von Kirschplantagen. Die Kirschenernte ist in vollem Gang und hunderte Kirschverkäufer/innen säumen die Straßen. Wir können nicht widerstehen.
Die ältere Stadt an der Seidenstraße mit sehenswerten Tempeln und Plätzen gefällt uns sehr. Wir besichtigen zwei große Tempel anlagen und flanieren durch den Bazar. Mit eigenen Augen sehen wir, wie neben Fischen auch verschiedene Sorten lebender Schildkröten und Riesenkröten im Angebot sind. Nebenan in der Apotheke werden verschiedene Sorten getrockneter Seepferdchen verkauft.
Die chinesischen Berge haben es in sich. Im Prinzip fahren wir jeden Tag an dem wir radeln einen Pass. Höhenangaben gibt es nicht und es nicht absehbar wo der Pass endet. Die Strecke zwischen Tianshui und Hanzhong ist erwähnenswert, denn die Berghänge sind sehr dicht, dschungelartig bewachsen und beheimaten viele Vogelarten. Entlang der Straße treffen wir auch immer wieder auf Imker mit vielen Bienenstöcken. Diese Imker leben in Zelten bei ihren Bienen und verkaufen den Honig vor Ort. Mehrmals sehen wir auch reisende Bienenstöcke, die auf Lkws verladen wurden. Wir sind immer froh wenn wir durch die herumschwirrenden Bienen schadlos durchradeln konnten.
Die Chinesen selbst:
Wo wir auftauchen gibt es verschiedene Reaktionen. Entweder erstarren die Chinesen, von jung bis alt. Sie sehen uns, der Mund öffnet sich und die Bewegung in der sich der Chinese gerade befindet, erstarrt. Wie eingefroren!
Oder sie sehen uns und sie reagieren hyperaktiv. Sie stürzen sich in unsere Richtung und wollen Fotos, Fotos, Fotos.
Oft werden wir auch heimlich fotografiert – zumindest denken sie dies.
Auf jeden Fall, egal wo wir auftauchen, gibt es Reaktionen. Es wird getuschelt oder gelacht oder geschaut.
Der Chinese den man um Hilfe bittet geht erst einmal weg von einem. Hat man ihn eingeholt und ihm einen Zettel oder den Foto entgegen gestreckt ist er hilfsbereit. Ab diesem Moment kommen die anderen und wollen neugierig wissen was los ist.
Aber Vorsicht! Oft wird man irgendwo hingeschickt. Nur nicht dahin wo man hin will. Und mit Englisch geht null komma null.
Erstaunt sind wir auch darüber, dass die Han-Chinesen mit denen wir Kontakt hatten nichts über Deutschland, Frankreich oder Europa gehört haben. Auch wenn wir das chinesische Schriftzeichen für Deutschland zeigen ändert dies nichts. Manchmal, jedoch ganz selten, kommt es vor, dass jemand weiß dass die Deutschen gut in Fussball sind…
Auch wenn wir unsere Reiseroute erklären, kann niemand etwas mit den Nachbarländern Kirgistan, Vietnam usw. anfangen.
Gebaut wird überall wo wir durchradeln. In den Städten entstehen unglaubliche neue Hochhaussiedlungen. Sie können locker tausende von Menschen auf einmal auffangen wenn sie fertig sind. Autobahnen entstehen ständig neu und sind in super Zustand. Sie sind gebührenpflichtig. Auch neue Tempel werden überall gebaut, denn die alten wurden ja in den „früheren Zeiten“ einfach abgerissen. Schade, dass die neuen Tempel wenig Flair haben. Neue Anlagen werden als Altstädte deklariert, sind aber aus Beton. Über den Städten liegt Staub und Smog und der Himmel ist kaum mehr zu sehen.
In den Parks ist es grün und zur Zeit blühen und duften die Robinien. Auch blau-weiß blühende Schwertlilien sind oft zu sehen.
Nach der dritten Woche in China müssen wir an die Verlängerung unseres Visas denken. Dies soll in Lechan recht einfach und flott gehen. Deshalb wollen wir um den 4. Mai herum in Lechan sein. Wir nehmen von Feng Xian mit Stop in Hanzhong den Bus nach Chengdu um rechtzeitig dort zu sein. Nach Feng Xian reisen wir durch die chinesische Provinz Sichuan.
Bus in Gansu:
Hami – Jiayuguan: 620 km
Jiayuguan – Lanzhou: 760 km
Feng Xian – Hanzhong: 180 km
Gesamt: 1.560 km
Fotos von China Gansu: