Portugal 2018

Algarve

Sehr schnell stellen wir fest, dass uns Portugal etwas besser gefällt. Es ist einfach ursprünglicher, weniger Zäune und mehr Natur, selbst im Süden der Algarve, wo sich in der Hauptsaison etliche Touristen tummeln. Auch liegt deutlich weniger Müll am Straßenrand als in Spanien.
Wir bummeln durch Tavira, mit seinen gefliesten Hausfassaden, mächtigen Steinbrücken und schönen grünen Parks. Alles blüht! Die Küste ist an diesem Abschnitt sehr flach und es weht ein ordentlicher Wind über die vielen Golfplätze, die überwiegend von Engländern bespielt werden, die hier in Kolonien leben. Auch die Supermärkte führen viele englische Produkte.

Bacalhau

Wir wollen die komplette algarvische Küste abradeln und viele Buchten und Strände besuchen.
Die rotfarbene Steilküste beginnt in Quarteira, wo wir zwei Nächte bei Joao (warmshowers.org) bleiben.
Weiter westlich, in Benagil, spazieren wir oberhalb der malerischen Klippen und bestaunen die Felsformationen die Wind und Meer geschaffen haben. Felsbögen, steile Schluchten, Grotten und Höhlen, die man mit dem Boot befahren kann. Die Küste ist hier wild und nicht zugebaut.

Benagil

Aus dem Touristenrummel sticht das kleine Fischerdorf Alvor heraus, wo jetzt in der Nebensaison fast nichts los ist.

Freunde haben uns den kleinen Ort Salema empfohlen, was sich als wirkliches Highlight entpuppt. Wir wandern zu wunderschönen einsamen Stränden, von Bucht zu Bucht, finden Abkühlung im super klaren Meer und auf dem schattigen Eco Camping Salema, wo wir uns leckere Fischsteaks bruzzeln und mit kaltem Vino Verde vertilgen.

Salema

Vila do Bispo entwickelte sich zu einem alternativen Dörfchen, mit netten Cafes und einem klasse Marktladen, wo wir uns mit leckeren Queiso de Cabra Curado und Orangenblütenhonig eindecken. Von da sind es nur noch wenige Kilometer bis Sagres und Cabo de S. Vicente dem westlichsten Punkt der windumtosten Küste.

in Vila do Bispo

Überhaupt bläst der Wind vorwiegend aus Nordwest, so dass wir uns zur Erholung immer wieder leckeren prtugiesischen Kaffee (Bica für ca. 60 Cent) mit kalorienreichèn Pastel da Nata gönnen müssen.

Pastel de Nata

Der absolute Höhepunkt ist für uns der Küstenabschnitt zwischen Sagres und Odeceixe mit den vielen Steilküsten und Buchten dazwischen. Auch große Strände für Surfer sind dort zu finden. Es ist wenig bebaut und wir machen wunderschöne Wanderungen entlang der Küste, wo zu dieser Jahreszeit alles prächtig blüht. Nicht versäumen sollte ein Portugalreisender die Steilküste um Carrapeira, wo wir eine größere Wanderung machen. Auch bei Amoreira bietet uns die Küste atemberaubende Ausblicke.

Carrapateira

Bei Odeceixe bildet der Rio de Seixe die Grenze zu der portugiesischen Provinz Alentejo. Wir haben die Wahl mit vielen anderen Touristen im Meer oder im Fluss zu baden.

Fotos zur Algarve:

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Südwestportugal (von Odeceixe bis Lissabon)

Wir radeln durch uralte Eichenwälder, deren Rinde noch zu Kork verarbeitet, also abgeschält, wird. Immer wieder stoßen wir auf kleine Fischerdörfer, wo der Fischfang noch vom winzigen Boot aus betrieben wird. Überhaupt gefällt uns dieser Küstenabschnitt bei den Orten Azenha do Mar, Zambujeira, Vila Nova de Milfontes ganz besonders, denn die Küste ist unheimlich wild und steil. Kleine ruhige Sandstrände sind trotzdem leicht zu erreichen. Wir wandern viel auf kleinen Küstenwegen. Da sich der Sommer verspätet hat, steht alles in einer wunderbaren Blütenpracht.

Azenha do Mar

Von Vila Nova de Milfontes bis Sines finden wir die Küstenstraße super, denn Agnès ist für ein Bad in den Wellen stets bereit. Für Martin ist nach einem Sturz auf den Asphalt erst einmal eine Badepause angesagt. Doch eigentlich findet er das Wasser eh zu kalt….

Bis Troia fahren wir durch eine verkehrsarme Gegend in der duftende Pinienwälder und Lagunen das Bild prägen. In Troia setzen wir mit der Fähre nach Setubal über, wo wir in Portugal unseren zweiten Warmshower-Gastgeber Paolo treffen. Gemeinsam besuchen wir abends das tolle Konzert des Palo Alto Chamber Orchestras mit 35 Musikern. Eine klasse Aufführung der einzigartigen Geiger, Chellonisten und Bassisten.

Am nächsten Tag führt uns Paolo durch die mit alten Kacheln verzierte Markthalle, durch die schöne Altstadt und den Hafen, bis wir nach einem Bica und Pastell de Nata weiter reisen.

Markthalle in Setubal

Die Küste nach Setubal ist leicht bergig, belohnt uns aber mit schönen Ausblicken auf die kleinen Buchten und Strände. Ein großer Abschnitt dieser Straße ist auch für den Autoverkehr gesperrt und wir genießen unsere Ruhe.

bei Setubal

Am 22.6. kommen wir in Lissabon, der Hauptstadt Portugals, an. Wir halten uns nicht lange auf, denn da wir Anfang August von Lissabon zurückfliegen, wollen wir die Stadt später besichtigen. Jetzt steuern wir den Bahnhof an und lösen zwei Zugtickets nach Porto für je 25 Euro (mit Rädern).

Wir wollen den portugiesischen Jakobsweg, den etwa 250 km langen Wanderweg, von Porto bis Santiago de Compostella mit unseren Rädern bepilgern und sind selbst gespannt ob und wie das gut gehen wird.

Kunst in Almada

Fotos zu Südwestportugal:

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Portugiesischer Jakobsweg/ Fatimaweg

„Bon camino, bon camino“ hören wir erst nur vereinzelt. Doch je näher wir Santiago de Compostela kommen schallt es wie ein Mantra aus den Mündern der mit Stöcken und Jakobsmuscheln verzierten Pilger.

Von Porto aus fahren und wandern wir mit den Rädern insgesamt eine Woche lang über Stock und Stein, sehen so ziemlich jede Kirche oder andere heilige Stätte auf dem Weg. Eine schweißtreibende, aber sehr gute Erfahrung. Es geht durch viele kleine Dörfer mit obligatorischem Kopfsteinpflaster, durch einsame Eukalyptuswälder, über kilometerlange Holzstege vorbei an kleinen Buchten. Viele Quellen und Brunnen säumen den Weg, so dass es immer frisches Wasser gibt.

auf dem Jakobsweg kurz nach Porto

Eine sehr abwechslungsreiche Strecke, mit nicht sehr vielen Wanderern. Einmal hoppelt es den ganzen Tag so stark, dass unser Spüli Abends nur noch aus einer Schaummasse besteht…manchmal hieven wir die Räder mit dem ganzen Gepäck über hohe Steinabsätze und Felsen. Doch wir kommen voran. Wir übernachten nicht wie die Pilger in Aubergen, sondern bauen einfach an schönen Orten, wo es uns gefällt, unser Zelt auf.

Zeltplatz im Eukalyptuswald

Ab und zu verweilen wir auch auf einem Campingplatz. Da zu dieser Zeit auch die Fußball-WM statt findet, verfolgen wir nicht ganz so pilgergemäß, das eine oder andere Spiel in einer kleinen Kneipe. So zum Beispiel in Caminha, wo wir für 8 Bier (0,2 l), 2 Steakbrötchen und 2 Thunfisch-Quiche insgesamt 12 Euro bezahlen.

Am 29.6. kommen wir in der Pilgerstadt Santiago de Compostela an, wo wir einen Gottesdienst in der gefüllten Kirche besuchen. Eine schöne Atmosphäre, da sich alle Pilger glücklich fühlen, ihr Ziel erreicht zu haben.

Santiago de Compostela

In der spanischen Pilgerstadt entscheiden wir uns der vollständigkeithalber auch noch gleich die Pilgerstadt Fatima anzusteuern, die in Portugal südlich von Coimbra liegt. Der Weg dorhin ist so gut wie gar nicht ausgeschildert. 

Sehr schön fanden wir den Küstenabschnitt südlich von Vigo (Spanien) – fast unbebaut, wild und wenig Verkehr. Eine kleine Fähre bringt uns vom spanischen La Guardia ins portugiesische Caminha. Richtung Porto entlang der Küste wird es dann ein wenig touristischer. Interessant ist, dass wir immer wieder Muschelsucher beobachten, die eimer- oder säckeweise ihre Ware aus dem Meer fischen.

nach Vigo

In Porto haben wir uns für zwei Nächte in ein Zimmer eingemietet. Von dort aus erkunden wir die schöne Altstadt und sind fasziniert von den mit alten Kacheln verzierten Gebäuden und Kirchen, dem alten Bahnhof, den vielen Plätzen und der Kathedrale. Am Douro sitzen wir am Ufer, verspeisen unser knuspriges Frango (Hühnchen) und schauen dem emsigen Bootsverkehr zu. Auf der anderen Flussseite befinden sich die vielen Portweinkellereien, wie Sandeman, Porto Cruz usw., denen wir am Tag darauf einen Besuch widmen.

Porto

Wir bleiben an der Küste bis wir vor Coimbra am Mondego-Fluss abbiegen. Wie schon zuvor immer wieder, gibt es auch hier sehr viele verbrannte Waldgebiete. Coimbra die alte Gelehrtenstadt wartet mit schönem Universitätsgelände, alten Prachtbauten, Kirchen und schattigen Parks auf. Doch nach einem mehrstündigen Bummel durch die sengende Stadt zieht es uns weiter, über bergiges Gelände bis nach Fatima.

Dieser Pilgerort erstaunt uns etwas, denn es ist nicht los. In der Walfahrtskirche sind gerade mal 5 Touristen. In Santiago waren es viele hundert. Die Kirche ist schlicht und einfach.

Fatima

Kurz nach Pombal, nach etwa 3.000 km, hat Martin seinen ersten Platten. Ein kleiner Draht der im Mantel steckt wird gottseidank schnell gefunden, denn das WM-Finale mit Frankreich steht an. Doch an eine Weiterfahrt ist erst mal nicht zu denken, denn schwarze dicke Wolken ziehen schnell auf und wir finden Schutz bei einer Kirche. Die Zeit drängt, wir wollen weiter, die Wolken haben sich verzogen. Doch oh Schreck, das Rad von Martin ist erneut platt. Ein zweites Metalldrähtchen wird gefunden, der Schlauch geflickt. Immerhin schaffen wir es noch die zweite Halbzeit und den verdienten Sieg der Franzosen zu sehen. Agnès ist Weltmeisterin und bekommt gleich viele SMS!

Batalha

Weitere schöne bekannte Städt die auf unserem Weg liegen, wie Batalha und Nazare, lassen wir uns natürlich auch nicht entgehen. Auch der günstige Campingplatz bei Paredes de Victoria, im schönen schattigen Kiefernwald, soll hier erwähnt werden. (Zelt und 2 Personen 6,80 Euro).

Nazare

Bis Lissabon ist es nun nicht mehr weit. Wir haben vor unserem Rückflug am 1.8. für drei Nächte ein Zimmer gemietet.

Lissabon:

Zunächst sind wir damit beschäfftigt uns Kartons zu besorgen, die wir dringend für den Rückflug benötigen. Die schweren unhandlichen Kartons bekommen wir im Zentrum Vasco de Gamma, im dortigen Fahrradladen. Sie zu unserer AirB&B-Wohnung, die etwa 3 km entfernt liegt zu schleppen, ist eine schweißtriefende Angelegenheit.

Die nächten Tage beradeln wir ausgiebig die schöne Altstadt, spazieren durch die Fußgängerzonen und genießen leckeres Essen. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, wie den Torre de Belem, das Denkmal für Seefahrer (Padrao dos Descobrimentos), das Jeronimo Kloster oder die Gegend Factory LX, erkunden wir mit unseren Rädern.

Paulo unser Gastgeber zeigt uns in der Nähe seiner Wohnung in der Wohnsiedlung Marvila einige Häuser mit sehr schönen großen Graffitis. Zusammen besuchen wir auf ein Bier die atmosphärische Bierbrauerei Dois Corvos.

Fotos Jakobsweg, Fatima, bis Lissabon:

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Fotos Lissabon:

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2018 Spanien

Fluginformation für Radreisende: Eurowings bietet 2018 eine Kreditkarte (Barclaycard) an. Wenn ihr mit dieser Kreditkarte bezahlt, könnt ihr und euer Reisepartner jeweils ein Fahrrad als Sondergepäck kostenlos mitnehmen. Zweimal 50 Euro gespart. Mit der Kreditkarte entfällt außerhalb Deutschlands die Abhebegebühr. Nach der Reise könnt ihr die Kreditkarte, wenn ihr wollt, ja wieder kündigen und so fallen keinerlei Kosten an.

Valencia:

Am Sonntag, den 29. April 2018, fährt uns unser Freund Hermann pünktlich zum Flughafen nach Stuttgart, wo wir schnell eingecheckt sind. Doch unsere französichen Freunde, die Fluglotsen, streicken mal wieder und wir können erst mit einer Stunde Verspätung starten.

Die ersten zwei Nächte wohnen wir in Valencia bei Victor, der günstig ein Zimmer über AirBnB in Zentrumsnähe vermietet. Er und seine Familie sind aus Venezuela nach Spanien umgesiedelt. Wir erfahren aus erster Hand Hintergrundinfos über Venezuela, dürfen die Küche benutzen und genießen die ersten Tag in dieser schönen Stadt.

Im Jardin de Turia

Valencia ist übersichtlich, aber sehr sehenswert, vor allem auch für Radler, denn es gibt viele tolle Radwege, wie den trocken gelegten Turia Fluss, der sich am Rande der Altstadt bis zum Strand hinzieht. Das Flussbett ist heute eine Parkanlage mit Radwegen, Sportmöglichkeiten und Freizeiteinrichtungen, inmitten toller Palmen, blühender Kakteen und selbst Baobab-Bäumen (Flaschenbäumen), Auch wir radeln viel in dem Park und besuchen von hier aus die „Ciutat de las Artes“, die Altstadt, sowie den Strand. Abends essen wir natürlich valenzianische Paella, die hier, wie könnte es anders sein, am besten schmecken soll. Neben spanisch wird hauptsächlich valenzianisch gesprochen.

Fotos zu Valencia:

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Costa Blanca und verschiedene Begegnungen:

Wir finden einfach aus Valencia raus und befahren den Radweg entlang der flachen Küste durch den Parc Natural de la Albufera bis Cullera. Erst bei Cullera wird es etwas hügeliger und vom Kap aus haben wir eine tolle Aussicht auf das Meer. Dort haben wir wieder eine Begegnung der besonderen Art – Petr aus Weißrussland wandert seit 5 Monaten auf dem Jakobsweg durch Portugal und Spanien, eine Art Sackkarren, mit selbstgebastelten Rädern und Hüftgurt, hinter sich herziehend. Petr ist behängt mit Kreuzen, Jakobsmuscheln und einem Plakat der Fatima aus Santiago.

Petr aus Weißrussland

Unseren ersten Zeltplatz in Spanien finden wir bei einer verlassenen verwahrlosten aber angenehm duftenden Orangenplantage. Ob wir weiterhin solch schöne Plätze finden werden?

Wir folgen der Küstenstraße bis Oliva, die sich durch Orangenplantagen schlängelt. In Oliva versorgen wir uns in der Markthalle mit frischem Obst und Gemüse. Es riecht herrlich nach frischem Fisch. Unser Plan ist, die Küste hier zu verlassen und durch das ruhigere, aber dafür bergige Inland zu fahren.

Auf der kleinen CV-700-Straße radeln wir in das Tal „Valle de Gallinera“, stetig bergauf. Einsame kleine Bergdörfer liegen auf unserem Weg und immer wieder können wir unsere Wasserflaschen an kalten Quellen auffüllen. Orangen-, Kirsch-, Oliven-, Mandel-, und Feigenbäume soweit das Auge reicht. Aber nur die Orangen sind reif und frühreife Kirschen. Ein schattiger Platz unter einem Olivenbaum mit klasse Aussicht ins Tal, lässt uns früh Schluss machen, denn einen besseren Schlafplatz werden wir heute bestimmt nicht mehr finden.

Val de Gallinera, unser zweiter Platz

Schnell fällt uns auf, dass die Spanier viel Wert auf kleine schön angelegte Parks legen – Palmen, blühende Sträucher, Rosen und Brunnen mit Trinkwasser. Ideal für unsere vielen Pausen.

Wir kommen in die größere Stadt Alcoy. Schon vor Tagen wollten wir hier mittels „warmshower.org“ übernachten und haben Carlos angeschrieben, doch kurz darauf wieder abgesagt, da klar war, dass wir einen Tag früher durch Alcoy radeln würden. Es ist nicht immer leicht mehrere Tage vorherzusagen, wann man wo ankommen wird. Nun radeln wir durch Alcoy, stehen an einer Kreuzung und studieren unsere Landkarte, als wir die nächste Begegnung der besonderen Art haben. Ein junger Mann kommt auf Martin zu und fragt „Martin?“. Es ist Carlos, den wir angeschrieben hatten und rein zufällig stehen wir 50 m vor seinem Haus und rein zufällig hat seine Frau Nuria uns entdeckt, woraufhin er loslief um uns abzufangen. Wir sind völlig baff! Carlos läd uns spontan zu leckerem Kaffee mit Schokolade ein und wir verbringen zwei nette Stunden mit Nuria und Carlos. Danch begleitet er uns mit seinem Mountainbike und zeigt uns eine schön gelegene ruhige Picknickstelle mit Quelle, wo wir unter Pinien übernachten.

Auf Radwegen fahren wir entlang der Sierra de la Fontanella bis Biar und genießen danach die 7 km lange Abfahrt bis Villena. Hier wimmelt es von süßen kleinen wilden Kaninchen. Auf sehr kleinen Provinzstraßen geht es weiter durch Weinbaugebiete, kaum eine Menschenseele treffend. Nach Pinoso häufen sich die Mandelmonokulturen, bevor die Gegend immer kahler und wüstenähnlicher wird. Der Weg bis zu dem gut klingenden Ort Fortuna erinnert uns eher an Filmszenen von Wüstenplaneten. Oder suchten hier in dieser trockenen, öden aber faszinierenden Gegend etwa Goldgräber ihr Glück? Überhaupt sind die Flüsse „Rios“ ausgetrocknet und Felder oder Plantagen werden mit ausgetüftelten Bewässerungskanälen versorgt.

vor Fortuna

Schlagartig säumen nach Fortuna gut riechende Zitronen-, Orangen-, Aprikosen- und Kirschenplantagen unseren Weg. Wild wachsende Nisperosbäume versorgen uns mit süßen gelben Früchten und Vitaminen.

nach Fortuna

 

Um Lorca herum befinden sich sehr viele landwirtschaftliche Betriebe, oft große Felder mit Plastiküberzug, sowie jede Menge riechender Schweineställe. Kurz danach erreichen wir wieder die Küste, wo wir in Garrucha zum ersten Mal ins klare Meer hopsen – jedoch nur kurz denn es ist ziemlich erfrischend. Doch nur kurz, denn bei der anschließenden Bergfahrt nach Carboneras kommen wir wieder schön ins schwitzen, auf jeden Fall werden wir mit prima Aussicht belohnt und wilde Widder kreuzen unseren Weg.

Wir kommen in die Landschaftsschutzzone Capo de Gata, eine zerklüftete Steilküste mit zahlreichen Einbuchtungen und Höhlen, von denen die Meeresbrandung widerhallt. Hier findet man noch die schönsten Naturstrände der gesamten spanischen Mittelmeerküste. Im Hinterland und entlang der Küste überragen Vulkanberge, mit dunklem Gestein, die Szenerie.

Wir beziehen den Campingplatz La Caleta am Rand der kleinen Ortschaft Las Negras, mit seinen weiß getünchten Häusern. Es sind kaum Touristen hier. Toll in dieser Saison zu reisen!

beim Camping Las Negras – Capo de Gata

Wir machen eine Wanderung zur nahe gelegenen Aussteigerbucht San Pedro. Dort haben sich seit vielen Jahren „Aussteiger“ niedergelassen und Steinhäuser, die sich schön in die Landschaft einfügen, gebaut. Durch eine Quelle mit Trinkwasser ist hier ein Leben möglich. Die Bucht erreicht man nur zu Fuß oder per Boot. Die „Aussteiger“ werden durch die Behörden geduldet.

Nach einem Erholungstag mit Swimming Pool, baden im Meer, bedienen der Waschmaschine, geht es auf einer Staub- und Schotterpiste weiter durch den Naturpark, vorbei an vielen schönen einsamen Stränden bis zum hochgelegenen Leuchtturm Faro de Gata mit seiner atemberaubenden Aussicht. In der einen Richtung blicken wir zurück zur zerklüfteten Steilküste, in der anderen Richtung voraus zu flachen Salzsalinen.

Campillo del Genoves

Fotos zu Costa Blanca:

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Andalusien:

Durch Almeria geht es weiter in Richtung Norden, wo wir einen Abstecher in die wüstenähnliche Landschaft bei Tabernas machen. Dort wurden aufgrund des kargen Bewuchses etliche Filme, vor allem Italowestern, gedreht. So entstand auch das Touristenziel „Texas Hollywood – Westerndorf“.

wüstenähnliche Landschaft bei Tabernas

In Richtung Granada passieren wir die Vorberge „Alpujarra“ mit seinen wilden Schluchten und Tälern, teils geht es schwitzend auf auf Schotterstraßen über 1.000 m Höhe hinauf. Es folgen wilde Abfahrten ins Tal mit seinen üppigen Obstgärten, die der Andarax-Fluss mit kühlem Wasser versorgt und in dem auch wir uns abkühlen. Im Hintergrund leuchten die Schneeberge der Sierra Nevada im blauen Himmel. Doch wir beradeln auch die etwas größere Straße A348, die durch viele Erdrutsche und Absenkungen, infolge des vielen Regens im letzten Winter, zum Teil nur halbseitig befahrbar ist.

vor Orgiva

Wir kommen am Dienstag, den 15. Mai in Granada an, wo wir bei Victor, einem Warmshowergastgeber, wohnen können. Wieder einmal ist dies eine tolle Erfahrung für uns, den Victor und seine Freundin Ester kümmern sich fürsorglich um uns. So kommt es dass wir statt zwei Nächten unseren Aufenthalt in Granada auf vier Nächte verlängern. Wir besuchen die wunderschönen Gärten Generalife bei der Alhambra,wo alles – vor allem Rosen in allen Variatonen – blüht und duftet. Der Mirador von St. Nicolas im Albaycin mit seinem herrlichen Ausblick, den Künstlern und Musikern zieht uns in seinen Bann. Dank Victor können wir auf einer über den Dächern von Granada liegenden Terrasse mit Blick auf die Alhambra das leckere Essen von „Papas Elvira“ (algerische Spezialitäten in der Calle de Elvira) genießen. Leckere Tapas die zum Bier oder Wein gereicht werden, runden den Tag ab.

Granada Generalife Gärten

Victor beherbergt zeitgleich auch den sympatischen Radler Raimond, der schon die halbe Welt beradelt und ein Buch geschrieben hat. Sehr schöne Videos sind auf seiner homepage „www.otravidaesposible.org“ zu sehen.

Bis Granada sind wir etwa 900 Kilometer geradelt und da es die Strecke in sich hatte, stellten sich bei Martin erste Beschwerden, wie Sprunggelenk- oder Sehnenscheidenentzündung am linken Fuß ein. Der Fuß sollte geschont werden. Deshalb verwerfen wir unseren gesamten Plan. Wir wählen für die Weiterfahrt eine flachere Strecke, wollen weniger Kilometer machen und wir streichen unser Fahrziel Marokko. Unser neuer Plan ist nun, dass wir längere Zeit in Spanien verbringen wollen, um danach nach Portugal zu radeln. Von dort aus soll es Anfang August einen Flug nach Stuttgart geben.

Die Weiterfahrt stellt uns auf die Probe. Martins Fuss schmerzt, der Weg ist sehr beschwerlich und schwer zu finden, da wir nicht auf der Hauptstraße fahren wollen. Noch dazu schlägt das Wetter um. Jeden Nachmittag ziehen dunkle Wolken auf und es regnet in Strömen, einmal hagelt es gar…. Ein trockener Zeltplatz ist nun schwer zu finden. Aber alles geht vorbei und plötzlich befinden wir uns wieder in einer traumhafte Landschaft – bei Antequera. Diese andalusische Kleinstadt, mit seinen kleinen engen Gassen, vielen Kirchen (23 Kirchen hat mal jemand gezählt) und den drei Dolmen, die schon vor 6.000 Jahren gebaut worden sind, lohnt einen Besuch. Der Gang des „Dolmen de Menga“ ist 27,5 m lang und wird von gigantischen Steinplatten umschlossen.

Dolmen in Antequera

Ein weiterer Höhepunkt liegt im Karstgebirge von „el Torcal“. Von Wind und Wetter geformte Felsengärten, manche in Pfannkuchenstapelform, andere senkrecht in die Höhe strebend. Wanderwege erschließen uns diese traumhafte Landschaft.

Torcal Felsengärten

Seit Antequera sehen wir große meckernde Ziegenherden. Wen wundert’s dass es nun leckeren Ziegenkäse gibt.

Fotos zu Andalusien erster Teil:

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Tolle atemberaubende Landschaften, mit viel hoch und runter, führen uns am 24. Mai zu einem weiteren Höhepunkt unserer Spanienreise: Caminito del Rey (der Königsweg). Dort wollen wir eine mehrstündige Wanderung durch enge Schluchten, auf dem für Touristen hergerichteten Instandhaltungsweg für die Wasserversorgung früherer Zeiten, machen. Der Andrang ist groß und Eintrittskarten sind für die nächsten 3 Wochen ausgebucht. Doch auf dem Schwarzmarkt, wir bezahlten dafür etwas mehr, bekommen wir noch am selben Morgen zwei der begehrten Eintrittskarten. Es hat sich gelohnt, denn die Wanderung durch die Schlucht auf Holz- und Metallstegen hoch über dem Fluß ist einmalig. Wir sehen auch immer wieder die Reste des ursprünglichen kaum gesicherten Weges, den vor Jahren noch halsbrecherische Abenteurer gegangen sind.

Caminito Del Rey

Unzählige Adler schweben majestätisch von Fels zu Fels und schauen auf uns herab. Wir beradeln danach, wie es heißt, die schönste Straße Andalusiens von El Churro bis Ardales durch den Naturpark mit bizarren ausgewaschenen Gesteinsbildungen.

Einen schönen Schlafplatz finden wir kurz nach Ardales an einem ruhigen Fluß. Wir sehen blau schimmernde Eisvögel und ein Schäfer treibt eine großes Schafherde auf der anderen Flußseite entlang. Im Fluß hüpfen Fische stromaufwärts. Wir beschließen noch eine Nacht länger an diesem Ort zu bleiben.

In Almargen wird, wie schon an einigen Orten zuvor, ein Festtag zu Ehren eines Heiligen gefeiert. Die Andalusierinnen sind festlich gekleidet, die Männer sitzen stolz auf ihren Pferden. Eine ganze Wagenparade mit bunt geschmückten Papierblumen kommt uns entgegen.

Fest in Almargen

In Sevilla, der schönen Großstadt bummeln wir etwas durch die Altstadt, verweilen aber nur kurz. Zu viel touristischer Trubel für uns. Doch die Ausfahrt aus Sevilla ist für Radler tückisch, denn ein Geflecht von Schnellstraßen umgibt die Stadt und es dauert ewig bis wir eine ruhige Passage entlang eines Flusses finden. Dies ist auch der Weg zum Nationalpark Donana mit seinen vielen Störchen, die sich ihre Nester in den Bäumen oder auf den Straßenmasten gebaut haben.

Störche im Naturpark

El Rocio, die Stadt im Sand mit Cowboyflair. Sind wir mitten in einer Filmkulisse gelandet? Wir schieben unsere Räder durch die sandigen Straßen und bestaunen die vielen Kirchen mexikanischen Stils und die Läden und Häuser, vor denen man sein Pferd, wenn man denn eines hätte, am Holzsteg anbinden kann. Jetzt ist dieser Wallfahrtsort ziemlich leer, aber an Pfingsten werden hier jedes Jahr tausende Pilger, in bunten Trachten, mit ihren Pferden erwartet.

el Rocio

Vor und nach El Rocio befinden wir uns zwischen verschiedenen Nationalparks, die von kilometerlangen Zäunen vor der Bevölkerung geschützt werden – wir kommen auf mindestens 50 km Umzäunung, die wir entlang radeln. Wir können die Straße nicht verlassen, angekündigte Campingplätze existieren nicht mehr. Starker Gegenwind bei bereits 105 km geradelte Strecke legen unsere Nerven blank. So kommt es, dass wir bei Einbruch der Dunkelheit völlig genervt einen Parkplatz neben der Straße ansteuern und dort im Halbdunkeln unser Zelt aufbauen, obwohl eine Streife der Guardia Civil uns schon dreimal passiert hat.

Schön, dass wir uns nach dieser Strapaze auf dem prima Campingplatz bei Mazagon richtig erholen können. Dort treffen wir die Schwaben Claudia und Hartmut aus dem Kreis Ludwigsburg, mit denen wir nette Abende verbringen. Hartmut mixt einen prima Sangria dazu.

Küste bei Mazagon

Wir radeln weiter entlang der Küste, das Meer immer schön auf der linken Seite. Nach 1.600 km in Spanien kommen wir nach Ayamonte, wo wir am 3.6. die kleine Fähre nach Portugal, Villa Real de San Antonio, nehmen.

Fähre in Ayamonte

weitere Fotos zu Andalusien:

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Route Skandinavien 2017

Hallo zusammen!

Nach 90 Tagen und 6.450 km sind wir wieder zurück. Alles lief prima. Wir freuen uns auf euch!

Dies ist unsere Route Reise zum Nordkap

Dies ist unsere Route vom Nordkap zurück nach Deutschland

Wir freuen uns wenn ihr uns auf unserer homepage begleitet!

Viel Spass

Agnès und Martin

 

2017 Schweden II, Dänemark bis Deutschland

Schweden – Hey Hey wir sind zurück

Mitten auf der Brücke befindet sich die Grenze zwischen Norwegen und Schweden, was eine dicke weiße Markierung verrät. Das ist alles. Wenige Kilometer später zieren riesige Einkaufszentren die Landschaft – das Paradies für den Norweger, der hier richtig sparen kann. Ein Einkaufszentrum wirbt mit seinen 134 Einzelläden. Auch wir freuen uns über bessere Preise und Agnès bekommt endlich ihr großes Salzlakritzeis. Auch Leichtbier, wie Pripps Blä, wird eingepackt.

Die Strecke entlang der schwedischen Küste ist sehr schön, aber rappelvoll. Norwegische und mitteleuropäische Touristen quetschen sich in die Campingplätze. Wir radeln dann doch lieber im Landesinnern weiter, wo es ruhiger ist. Beim Wasserholen reicht uns eine Schwedin frisch gebackene Kanelbullar (schwedische Zimtschnecken) – richtig lecker.

Trollhättan

Elche lassen sich leider nicht mehr blicken, doch sie sind um uns herum, wie wir unschwer nachts hören können. Ihr lautes Röhren, in der für uns neuen Dunkelheit, befremdet uns zunächst.

Trollhättan gefällt uns durch seine Wasserfälle und die schön gelegene Backsteinkirche, von der aus wir einen guten Blick auf den Fluss haben. Über kleine Straßen, vorbei an vielen kleinen Badeseen umfahren wir die Großstadt Göteborg mit Ziel nach Helsingborg. In dieser netten Stadt nehmen wir die Hybridfähre nach Helsingor in Dänemark (20 Minuten).

Dänemark: Helsingor – Kopenhagen – Rödby

Schön renovierte Häuser mit Reetdach und viele Villen reihen sich entlang der Küste. Wir radeln auf direktem Weg nach Kopenhagen, der Fahrradfahrerstadt. Die Dänen lieben ihre Fahrräder und das Radfahren. 45 Prozent aller Bewohner Kopenhagens fahren mit dem Rad zur Arbeit oder Schule/Uni.

Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Radfahren_in_Kopenhagen

Wir besichtigen die Stadt per Rad und besuchen das Nyboder Viertel, ein Wohnquartier mit gelb-orangenen Reihenhäusern, das im 17. Jh entstand., zu einer Zeit, als der Wohnraum in Kopenhagen knapp war. Dort ließ Christian IV. außerhalb der Stadtwälle über 600 Wohnungen für Seeleute der königlichen Marine bauen.

Weiter geht es zur Frauenkirche, zum Königspalast und entlang des neuen Hafens. Immer wieder sehen wir Radler auf ihren Lastenfahrrädern, die Kinder, Ware oder fahrbare Werkstätten befördern.

Kopenhagen Neuer Hafen

Die Strecke nach Rödby ist flach, landwirtschaftlich viel genutzt und leicht zu befahren.

Deutschland

Es herrscht großer Andrang zur Fähre Rödby – Fehmarn, doch für uns und die Räder ist immer Platz. Ruckzuck sind wir in Deutschland, auf super beschilderten Radwegen. Eigentlich sind Landkarten überflüssig. Wir radeln bis Großbode, wo wir mit Claudia in Lübeck Kontakt aufnehmen. Dort wo wir unsere Reise vor 3 Monaten begonnen haben, wollen wir sie auch wieder beenden. Wegen schlechtem Wetter nehmen wir für die letzte Strecke den Zug und kommen eine Stunde später, am 28.7.2017 wieder in Lübeck an. Claudia erwartet uns mit leckerer Suppe und anderen Delikatessen, weichem Bett und heißer Dusche. Die nächsten Tage zeigt uns Claudia ihre Lieblingsplätze: gemütlicher Strandkorb in Haffkrug, wo am Aalfest sogar Zwetschgenkuchen angeboten wird, der lebhafte Hafen von Hamburg mit der neuen Philharmonie. Wir machen es uns einfach hyggelig!

Haffkrug

Statistik:

gefahrene Kilometer: 6.450 km in 90 Tagen

Pausentage: 10

Km/Tag: 80 km

Reparaturen/Platten: keine

Warmshowers: 10 Nächte

Camping: 2 Nächte

Hotel: 1 Nacht

Zeltaufbau: 77 Mal

Fotos zu Schweden Rückreise, Dänemark und Deutschland:

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Norwegen 2017

Norwegen – auf dem Weg zum Nordkap

Norwegen empfängt uns mit klarer Sicht und üppiger Sonne. Wir radeln um die erste Kurve und staunen: der erste See ist noch halb zugefroren und am Ufer liegt an manchen Stellen noch viel Schnee. Wir spazieren zum See, sinken teilweise in das morastige Sumpfgras ein, doch es lohnt sich, denn kurz darauf stehen wir am Ufer, wo das klare Wasser in allen möglichen Blautönen scheint. Die schneebedeckten Berge im Hintergrund sind nur bis zu 800 m hoch, doch wir haben den Eindruck in einer hochalpinen Gebirgslandschaft zu sein.

See gleich an der Grenze

Hier in dieser Gegend, entlang des Alto Flusses wohnen viel Samen, in abgelegenen Gehöfen, von der Rentierzucht und vom Fischfang. In den Höfen liegen Fischernetze, stehen Schneescooter und treiben sich Huskies herum. Wenn wir bei den Samen zum Trinkwasserholen anklopfen, werden wir oft hereingebeten und höflich behandelt, doch zu einem Gespräch kommt es mangels Englisch nicht.
In alten Zeiten führten die Samen ein Nomadenleben. Sie zogen zwischen den heutigen Staaten Norwegen, Schweden, Finnland und Russland umher, im Sommer nach Norden und im Winter nach Süden. Sie lebten in torfgedeckten Hütten, die mit gebogenen Holzstangen errichtet wurden oder in transportierbaren Zelten aus Birkenstangen, sogenannten Tipis.

Wir folgen dem blauleuchtenden reißenden Fluss, in dem schmelzende Eisplatten schwimmen, sowie dem kilometerlangen Rentierzaun, der auf der anderen Straßenseite errichtet wurde. Die nächsten Tage stellen wir fest, dass in der Region Finnmark noch sehr viele Seen zugefroren sind. Unglaublich viele Wasserfälle versorgen die Flüsse, Stromschnellen die wir nicht befahren würden rauschen in die Tiefe.

Kurz vor Alta geht es 8 Prozent bergab und wir kommen von der kahlen Winterlandschaft in eine mit saftigem Grün. Bis Alta können wir immer wieder in T-Shirt radeln, so toll ist das Wetter. Dies ändert sich auch nicht, als wir nach Alta wieder auf ein Hochplateau radeln müssen. Tolle Sicht auf Berge, große Schneefelder bis zu 1 Meter tief. Gut dass wir noch nicht wissen, wie das Wetter hier eine Woche später sein wird, denn diese Strecke müssen wir wieder zurück…

Eisschollen vor Havoysund

Um Alta herum entsteht dann auch das „Nordkapfieber“. Wir treffen immer wieder auf andere Radreisende die vom Nordkap kommen oder wie wir dahin wollen. Rucksackwanderer, viele Motorradfahrer und Camper haben dasselbe Ziel. Man grüßt sich oder streckt sich den nach oben gerichteten Daumen entgegen. Es kommt zu einigen Gesprächen mit den Gleichgesinnten und man tauscht sich aus. Ein Thema ist unter anderem immer wieder der ungemütliche 6 km lange sehr kalte und feuchte Tunnel der, unter dem Eismeer hindurch, nach Honningsväg führt und in dem es 3 km bergab und 3 km steil bergauf gehen soll, ohne Extraspur für Radler. Darauf haben wir absolut keine Lust!
Wir entschließen uns daher für eine Alternativstrecke. Die 889 nach Havoysund und von dort mit den Hurtigruten weiter, also schön bequem im Schiff, bis nach Honningsväg. Es ist eine landschaftlich sehr schöne und ruhige Strecke, zuerst am Meer entlang, wo wir viele Rentiere sehen und auch ein Geweih finden, das zukünftig unsere Reise begleiten wird. Bizarre Schieferfelsen prägen die Küste. Weiter geht es über mehrere Berge und bis wir nach Havoysund kommen haben wir auf den letzten 35 km etwa 1.500 Höhenmeter zurückgelegt, insgesamt radelten wir an diesem Tag 115 km. Doch das Nordkap ruft!

Wir stehen früh auf, es ist ja eh immer hell, frühstücken gemütlich in der Sonne und radeln zur Anlegestelle. Kurz nach 9 Uhr sitzen wir gemütlich im warmen Panoramadeck im 7. Stock des Bootes, zwischen all den Rentnern, die eine 2-wöchige Pauschalreise mit den Hurtigruten machen und fühlen uns etwas fremd. Gut, dass wir uns vorher noch unsere Haare frisch gewaschen haben. Nach 2 Stunden Gemütlichkeit – viele Inseln sind wie auf einer Großbildleinwand irgendwie unwirklich an uns vorbeigezogen – kommen wir auf die Insel Mageroya nach Honningsväg. Wir starten durch und nehmen die anstrengende Strecke, mehrere steile Pässe, in Angriff. Bergauf im T-Shirt, denn die Sonne knallt. Bergab in Skiausrüstung, denn es ist eiskalt. Wir treffen unterwegs den netten Schweizer Fridolin mit seinem Velo, mit dem wir eine Vesperpause verbringen. Kurz danach stehen wir vor der Abzweigung des 7 km langen Wanderweges, um an den Knivskjellodden, den nördlichsten Punkt Europas, zu gelangen. Dorthin wollten wir ursprünglich wandern, doch der Schnee macht uns einen Strich durch die Rechnung, denn der Weg liegt unter etwa 1,5 m hohem Schnee.

Wanderweg zum Nordkap

So kommt es, dass wir uns wie alle anderen für die Aussichtsplattform entscheiden und das touristische Nordkap ansteuern, was sich im nachhinein als die beste Entscheidung darstellt, denn als wir dort ankommen, scheint die Sonne und wir haben blauen Himmel! Laut Reiseführer ist das nur zu 20 Prozent der Fall! Am Einlass werden wir als Radler freundlich durchgewunken und können im Gegensatz zu Campingbussen, die 60 Euro kosten, nichts bezahlen.
Wenige Minuten später stehen wir am 18.6.17 am nördlichsten Punkt Europas, auf 71°,10′,21″, und fühlen uns gut!!Geschafft!

Am nördlichsten Punkt? Darüber streiten sich die Gelehrten.
Manche gehen davon aus, dass das Nordkap die Stelle ist, an der schwedische und norwegische König Oscar II. am 2. Juli 1873 eine Säule mit den Worten „dies sei der nördlichste Punkt“ errichten lies, andere bezeichnen als Nordkap eine Landzunge, die sich etwas westlich davon befindet und etwas weiter nördlich liegt, den Knivskjellodden. Wieder andere sagen, dass das Nordkap auf keiner Insel sein dürfe, da sich noch andere Inseln weiter im nördlichen Eismeer befinden würden.

unser Zelt über den Klippen am Nordkap

Wir wählen für unser Zelt einen einmaligen Platz mit unverbaubarer Aussicht oberhalb der steinigen Klippen mit Blick auf das Polarmeer und die Mitternachtsonne. Außer uns stehen in einiger Entfernung noch zwei andere Zelte, oben an der Plattform jedoch tummeln sich hunderte Camper und Busse. Beim Spaziergang trauen wir unseren Augen nicht, als wir einen Reisebus aus Talheim bei Horb, also unserer Nachbargemeinde, entdecken. Die Gepäckklappen sind geöffnet und mehrere Kästen deutsches Bier fallen uns sofort ins Auge und erregen unsere Aufmerksamkeit. Wir kommen mit den Busfahrern der Firma Hochstetter ins Gespräch und kurz darauf werden uns vier leckere Wulle-Biere spendiert. Der Abend ist gerettet!
Wir sitzen vor unserem Zelt in der Sonne, genießen die Aussicht, kochen lecker und haben vier Wulle Biere. Wer hätte das gedacht! Leider ziehen Wolken und etwas Nebel aus und um Mitternacht ist der Himmel bedeckt. Egal, die Mitternachtsonne haben wir schon mehrmals gesehen und werden sie bis 22.Juli bestimmt auch weiterhin ab und zu sehen.

Juhuu! am Nordkap!

Fotos durch Norwegen bis zum Nordkap am 18.6.2017:

01-Norwegen-Grenze

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Weiterreise vom Nordkap durch Norwegen bis Schweden:

Die 37 km zurück nach Honningsvag am nächsten Tag sind nass und eiskalt. Wir entscheiden uns dafür im Wanderheim ein Doppelzimmer zu nehmen. Es ist gut besucht, denn viele Motorradfahrer und Radler suchen hier Schutz, obwohl das Doppelzimmer 100 Euro (800 Nkr) kostet, was noch relativ billig in dieser Gegend ist. Auch Fridolin treffen wir wieder hier, der auch die Hurtigruten nehmen will. So wie wir. 5 Stunden später sind wir in Hammerfest ohne einen Tropfen Schweiß vergossen zu haben. Zwischen Hammerfest und Skaidi passieren wir eine Meeresenge (Sund), den die Rentiere im Frühjahr und Herbst zu Hunderten durchschwimmen. Wir bevorzugen die Hängebrücke. Bis Alta fahren wir wieder dieselbe Strecke, die wir schon vor einer Woche bei tollem Sonnenschein durchradelt haben. Doch diesmal trifft es uns sozusagen eiskalt. Auf dieser Hochebene, nur 400 bis 500 m hoch, pfeift der Wind und es fängt an zu schneien. Und das am 21. Juni – das soll ein Sommeranfang sein?

Dann denken wir, wir sehen eine fata morgana. Ein Radler in kurzen Hosen, leichten Handschuhen? So wie sich herausstellt ist es ein Franzose, der gerade in Alta mit dem Flieger gelandet ist und sich das irgendwie anders vorgestellt hat. Das Gespräch mit ihm dauert nur Sekunden, denn er zittert und will weiter.

In Alta, bei Julian und Christina, können wir in einem gemütlichen Zimmer übernachten, warm duschen und die Küche benutzen. Mit Schwung geht es weiter. Durch viele gut beleuchteteTunnel, entlang blau leuchtender Fjords, im Hintergrund hohe Berge mit Schneeresten. Wir halten uns an den Radweg Nr. 1, der die gesamte norwegische Küste entlang führt.

Einer dieser Berge ist der Kvaenangsfjellet, den wir 10 km hoch radeln. Von hier oben haben wir ein Panorama wie auf den höchsten Bergen der Alpen und doch, so stellen wir erstaunt fest, sind wir nur etwas über 400 m hoch.

Kvaenangsfjellet

Schon den ganzen Tag kommen uns Oldtimer-Pkws mit vielen Aufklebern und Nummern, offensichtlich Rallykisten, entgegen. Viele rasen über die engen Straßen und haben es eilig. Schön dass wir oben am Kvaenangsfjellet eine Rally-Mannschaft kennen lernen, die es nicht so eilig hat. Es ist der Theodor Noise Racing Club, 3 junge Männer und ein altes Chevrolet. Einer der Racer hat eine Drohne dabei, mit der er die atemberaubende Landschaft und auch uns von oben filmt. Sie spendieren uns 2 Flaschen Starkbier „Baltic Porter“, das wir uns abends zur Mitternachtssonne gönnen. Das Bier ist gut gekühlt, denn es hat nur 1 Grad.

Heute am 23. Juni feiern die Norweger den längsten Tag (obwohl die Sonne ja schon seit Tagen nicht untergeht und die Tage schon die ganze Zeit 24 Stunden dauern….)eigentlich mit großen Feuern. Wir hofften auf ein Fest, doch jede Familie sitzt für sich am Feuer und das wars.

Immer wieder endet die Straße und somit auch der Radweg Nr. 1 vor einem Fjord oder dem Meer, so dass man nur mit einer Fähre weiterkommt. In der Region um Tromsö sind für Radfahrer diese Fähren umsonst – eine tolle Sache. Tromsö selbst bezaubert durch eine Mischung alter Holzhäuser und neuer Architektur, wie die Arctic Cathedral.

Tromsoe Arctic Cathedral

Nach Tromsö führt die Straße weiter, über einige schöne Inseln, wie die Insel Kvaloya mit ihren bunten Blumenwiesen direkt vor der smaragdgrünen Meereskulisse oder wie die Insel Senja, mit ihren sehr hohen, steil ins Meer abfallenden grün bemoosten Bergen. Wir zelten auf einer bemoosten Waldlichtung, zwischen Blaubeerpflanzen, vor einer hohen Felswand und essen selbstgemachte Blaubeermarmelade, die wir von einer Norwegerin geschenkt bekamen.

Wasserfälle, bedingt durch das Schmelzwasser und immer wieder Regen, begleiten uns fast täglich. Es tropft und fliest wohin man schaut. Von Insel zu Insel führt unsere Reise. Erst über die Vesteralen, dann nähern wir uns den Lofoten. Ein weiterer absoluter Höhepunkt einer Norwegenreise ist diese Inselgruppe. Inseln, deren Berge aus dem Meer wachsen und an deren schmalen Stränden sich kleine Holzhäuser schmiegen. Dazwischen grüne Wiesen, schneeweiße Sandstrände und idyllische Fischerdörfer. Nicht selten passieren wir Holzgestelle an denen duftender Stockfisch zum Trocknen hängt. Wie wir erfahren wird sehr viel getrockneter Fisch, als Baccalao, nach Portugal exportiert.

getrocknete Fischkoepfe

Bedingt durch das wärmere Wetter auf den Lofoten haben wir nun auch zum ersten Mal mit den fliegenden Plagegeistern zu tun. Kleine silberne Fliegen, die einen umschwirren und sich auf jede freie Hautfläche setzen wollen. Aber auch die normalen Stubenfliegen (außerhalb der Stube) die einen im Schwarm, sogar beim Radeln, verfolgen.

Wir radeln bis zum Dorf A (dies ist kein Schreibfehler) im Süden, einem kleinen Fischerdorf zwischen Meer und Bergen und genießen die schöne Kulisse.

das Dorf A

Lofoten Flakstad

Tags darauf nehmen wir die Fähre nach Bodo, eine Fahrt von 4 Stunden.

Wir passieren den Saltstraumen, eine Meeresenge mit der stärksten Meeresströmung der Welt. Ein sogenannter Malstrom, der 150 m breit und 3 km lang ist. Dieser Gezeitenstrom fließt mit 30 km/h in beide Richtungen und zieht die Fische mit sich. Ein Paradies für Angler.

Hier beginnt auch die Helgelandküste bzw. Helgelandstraße über eine Länge von 416 km und 6 Fährverbindungen. 14.000 kleine vorgelagerte Inseln, Gletscher, schneebedeckte Berge und eine kurvenreiche Küste mit Sandstränden prägen das Bild. Bei Rödöy überqueren wir wieder, diesmal Richtung Süden, den „arctic circle“ (66°34′), wohl wissend dass unsere Tage wieder kürzer werden.

Bei Nesna wickelt ein Bauer, mit seiner lauten Maschine, pünktlich um 2 Uhr morgens seine Heuballen in Plastik ein. Wir versuchen auf der Nachbarwiese in unserem Zelt zu schlafen. Es ist hell und nicht nur der Bauer, sondern auch die herbeigeeilten Möven machen einen höllen Lärm. Aber was soll’s. Es ist schließlich Sonnenaufgang!

Wir nehmen die Fähre um 9.20 Uhr nach Levang. Da alle mit Kreditkarten bezahlen, hat der Fährmann kein Wechselgeld und wir fahren umsonst mit. Überhaupt wird fast alles hier mit Karte bezahlt. Selbst bei einem Toilettenbesuch steht man ratlos vor der verschlossenen Tür, wenn man keine Karte hat. So lassen auch wir uns einmal nur 10 NKR (=80 Cent) von der Kreditkarte abbuchen.

bei Stokvagen

In Bronnoysund, am 12.7., befinden wir uns genau in der Mitte der Strecke Nordkap – Südnorwegen, als uns die schöne Nachricht erreicht, dass der kleine Noah geboren wurde. Auf einmal sind wir Großeltern geworden. Wir freuen uns riesig! Trotz sintflutartigen Schauern geht es weiter Richtung Süden.

Die Landschaft rechts und links der R17 wäre schön, wäre da nicht das Wetter. Meist ist es regnerisch, die Berge liegen oft im Nebel. Das Zelt stellen wir desöfteren in einer Schutzhütte oder unter einem trockenen Dachvorsprung auf, sobald sich dies ergibt. Doch trotz dieser Maßnahme und den mit Plastiktüten umwickelten Schuhen, wird unsere Ausrüstung zusehends klammer und klammer. Mehrmals versuchen wir uns in eine Kabine (Hütte) auf einem Campingplatz einzumieten, doch diese sind entweder ausgebucht oder nur noch in der Luxusvariante ab 100 Euro erhältlich. So ziehen wir bedröppelt weiter.

Am sechsten Regentag in Folge sind wir ziemlich durchweicht, bei Höchsttemperaturen von 10 Grad durchgefroren und nicht mehr so gut gelaunt. Da passt es dann, dass wir uns während eines starken Regengusses auch noch verfahren.

Im kleinen Ort Kongsmoen fragen wir nach dem Weg und bei mehreren Tassen Kaffee beim Supermarkt in dem wir uns aufwärmen, lernen wir die Norweger Hege und Hugo kennen. Wir unterhalten uns prächtig und werden von den Beiden dazu eingeladen unsere Ausrüstung und Klamotten in ihrer Wohnung zu trocknen. Sie würden ein paar Stunden zum Einkaufen brauchen und in dieser Zeit würde ihre Wohnung zu unserer Verfügung stehen. Was für ein Angebot! So kommt es, dass wir die folgenden Stunden neben dem extra angeheizten Holzofen unsere komplette Ausrüstung, inklusive Zelt, trocknen und uns eine super heiße Dusche gönnen. Wahre Empathie!

helfende Norweger – Hege und Hugo

Obwohl unser Smartphone sagt, dass es Mitte Juli sein soll, sind die Getreidefelder noch grün, gerade mal 30 cm hoch, die Erdbeerfelder fangen gerade an zu blühen. Schön, dass uns immer wieder Wetterberichte von Südnorwegen gezeigt werden, wo es mindestens 10 Grad wärmer sein soll. Angeblich soll dort die Sonne gesichtet worden sein. Dies ändert unser Reiseplanung wesentlich.

Nach zehn Regentagen beschließen wir am 17.7. von Trondheim, knappe 500 km, mit dem Zug nach Oslo zu fahren. Die beste Entscheidung, denn als wir in Oslo ankommen, können wir nicht nur in der Sonne frühstücken, sondern so richtig in den blau leuchtenden Seen baden und die warme Sonne bei 25 Grad genießen. Ursprünglich wollten wir von hier aus die Fähre nach Dänemark nehmen, doch nun radeln wir, in Sandalen, von Oslo aus weiter in den Süden, der Küste entlang.

Bis zur schwedischen Grenze sind es nur 148 km auf ausgeschilderten Radwegen.

Grenze Norwegen – Schweden

Fotos Norwegen: ab dem Nordkap über die Lofoten in den Süden:

87-Norwegen-Nordkap-Trolle

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Finnland 2017

Finnland – Anteeksi, en ymmärtänyt sitä. (Entschuldigung ich habe sie nicht verstanden!)

Am 22. Mai 2017, nach 11-stündiger Fahrt (zuzüglich einer Stunde Zeitverschiebung), spukt uns die Baltic Princess in Turku wohlbehalten aus.

Für uns ist finnisch wie eine Geheimsprache. Wir verstehen nichts – nada! Die Begrüßung geht ja noch. „Hei“, das können wir noch. Doch gleich bei unserer Ankunft in Turku heißt das Wort „Dom“ dann „tuomiokirkko“. Wie sollen wir uns so was merken?

Wir haben uns in dieser ehemaligen Hauptstadt Finnlands eine Warmshower-Übernachtungsmöglichkeit organisiert, bei Stefan einem Journalisten – er spricht super englisch und deutsch. Wir werden von ihm herzlich empfangen und bei Bier und Chips plaudern wir noch bis spät in die Nacht. Wir haben herrlichen Sonnenschein und radeln am nächsten Morgen los.
Der Dom von Turku, das Hauptgotteshaus der evangelischen-lutherischen Kirche Finnlands, ist schnell besichtigt, im Zentrum stehen ein paar ältere Holzhäuser, aber ansonsten gibt es für uns nicht viel zu erkunden. Die berühmte Burg haben wir schon tags zuvor bei unserer Ankunft gesehen.
Ab Turku nehmen wir die „Ochsenstraße“ (Hämeen Härkätie), ein über 1000 Jahre alter Handels- und Pilgerweg – auch Teil des Jakobswegs -, der bis nach Hämeenlinna, rund 200 km in östliche Richtung führt.

Die Route führt teils auf dem engen Seitenstreifen der Hauptstraße entlang, oft gibt es schöne Radwege. Bei Tshirt-Wetter picknicken wir am Ufer eines klaren Sees und vespern leckeres dunkles Brot (Retkieväs oder Ruisleipäpalat) , mit Fischaufstrich aus der Tube, verschiedenen Käse und meist noch etwas Süßes. An das finnische Hartbrot, das mit Fischstücken gefüllt ist und so verkauft wird, haben wir uns noch nicht gewagt.

Kalakukko, in Brot gebackener Fisch

Bier steht derzeit nicht sehr hoch bei uns im Kurs, denn eine Dose vom billigsten Bier, 0,3 Liter, kostet im Supermarkt rund einen Euro. Aber es gibt auch Dosen bis zu 3 Euro. Härtere alkoholische Getränke kauft man hier im „Alko“, wo man eine prima Auswahl hätte, wenn man es sich leisten würde. Der billigste Wein kostet 7 Euro (0,75 l) und der billigste Vodka 20 Euro/l.

Wir radeln durch unendlich Wälder, dazwischen sehen wir auch viele landwirtschaftliche Betriebe. Was da so angebaut wird, kann man nicht erkennen, denn Ende Mai sehen wir lediglich einen Hauch von Grün. Beeren, wie Erdbeeren und Johannisbeeren, werden auch gerne im größeren Stil angebaut, doch bis die reifen müssen sie noch einen ordentlichen Zahn zulegen.
Anfang Juni blühen die Osterglocken, die Tulpen gehen gerade auf und die Maiglöckchen sind noch völlig grün. Wie hier wohl Osterglocken und Maiglöckchen genannt werden? fragen wir uns.

In den Städten gibt es nicht viel anzuschauen. Sie haben kein gemütliches Stadtzentrum wie wir es kennen, sondern bestehen im Großen und Ganzen aus Einkaufsmöglichkeiten. Doch uns ist die Natur sowieso wichtiger und wir steuern die Saimaa Seenplatte im Osten an. Laut Reiseführer und Karte führt die Straße über etliche Brücken und Landzungen durch ausgedehnte Seelandschaft, der sogenannten 4 km langen „scenic road“, bei blauem Himmel und warmem Wetter ein Traum. Diese wurde von 70.000 arbeitslosen Finnen über die 6 Inseln, Kiesmoränen aus der Eiszeit, gebaut. Doch leider erwischt es uns eiskalt, denn bei den Seen fällt die Temperatur von 13 auf 5 Grad und es nieselt, die Sicht ist schlecht. Nach einer Stunde Nieselregen, entdecken wir einen Kiosk, der nicht geöffnet ist (wer sollte bei dem Wetter da auch Kunde sein?) und unter dessen Vordach wir unser Zelt, noch vor der „scenic road“ im Trockenen aufbauen. Am nächsten Tag beradeln wir dann diese wunderschöne Landschaft und staunen über die unüberschaubare Seelandschaft.

Zeltplatz bei Heinola

Salvolinna, ein größerer Ort auf unserer Strecke, wartet mit seiner mittelalterlichen Burg auf uns. Sie liegt malerisch am Ufer eines Sees und soll die schönste Burg Finnlands sein. Von hier aus befahren wir auf der alten Landstraße die zweite „scenic road“, die uns über verschiedene Höhenzüge, durch rote Kiefernbestände, tolle Einblicke in diese blau leuchtende Seelandschaft bietet. Es ist auf der gesamten Strecke wenig los, keine Touristen, nur ab und zu ein Motorradfahrer.

Wir passieren einen Laden aus dem wir nicht ganz schlau werden. Es sollte hier erwähnt werden, dass englisch sprachige Hinweise nirgends vorhanden sind und wir kein Wort finnisch reden können, da rein gar nichts an eine Sprache erinnert die wir kennen. Doch der Laden interessiert uns und wir schauen hinein. Es handelt sich um einen Fischladen, eine Fischräucherei und Verkauf von Fischködern in einem. Die nette Verkäuferin kann Englisch und als wir das Sortiment betrachten, bietet sie uns rohen, eingelegten, in dünne Scheiben geschnittenen Lachs zum probieren an. Schmeckt prima! Wir entscheiden uns für eine dicke mit Pfeffer und Gewürzen frisch geräucherte Scheibe Lachs, die wir uns zum Abendessen gönnen. Was für ein super Geschmack!

Am 30. Mai ist früh morgens das Zelt vereist, die Wiese vor uns ist leicht weiß. Doch es wird im Laufe des Tages wärmer und um die Mittagszeit machen wir ein Feuer und grillen Rote Würste am See. Wir sind nun 17 km von der russischen Grenze entfernt.

Rote Wurst bei Tohmaiervi

Wir besorgen uns unser Trinkwasser indem wir an Häusern klingeln und unsere Flaschen auffüllen lassen. So entsteht weniger Plastikmüll und wir kommen in Kontakt mit der Bevölkerung. So erfahren wir von einem finnischen Waldarbeiter, dass in der Nähe die sogenannten Salpalinya verlaufen. Dies sind brusthohe Granitfelsen, die die Bevölkerung zum Schutz gegen russische Panzer auf eine Länge von 1.200 km in Viererreihen, im Abstand von einem Meter, in den Boden eingegraben hat. Was für eine Arbeit – unvorstellbar! Auch seien in dieser Gegend viele Bomben abgeworfen worden, wobei wohl noch einige in den vielen Seen liegen würden.

In Eno regnet es mal wieder und wir machen Mittag in einem kleinen Lokal, das an eine Kantine erinnert. Viele Bauarbeiter mit ihren orangeroten Anzügen nehmen hier für 8,50 Euro ein Mittagsbuffet zu sich. Zu diesem Preis kann man sich über das Salatbuffet, zwei warme Speisen, Zutaten und Nachtisch hiermachen. Dazu gehört noch Getränk und Kaffee. Die Wirte sind nett, wir können unsere elektrischen Geräte aufladen und ins Internet gehen. Ruckzuck sind 3 Stunden rum und es regnet nicht mehr.

Vor Lieksa wird es richtig ungemütlich. Nachmittags setzt ein starker, eisiger Gegenwind aus Norden ein, der uns regelrecht ausbremst. Die Felder und Wälder stehen zum Teil unter Wasser. Nass ist es überall, doch wir finden ein Stück trockenen Zeltplatz, fast schon in der Stadt, am Rande eines Spielplatzes und kleinen Waldstücks. Am nächsten Tag, nach unserem Besuch im Supermarkt erleben wir ein Wechselbad zwischen Sonne und Schneegraupel, der uns auf die nächsten 70 km ins Gesicht bläst. Gut dass wir an der richtigen Stelle nach Wasser fragen, denn die englisch sprechende Finnin empfiehlt uns einen Rast- und Grillplatz mit Hütten in 10 km Entfernung, auch ein prima Schutz gegen die „Honigschlecker“, deren Namen man in früheren Zeiten nicht aussprechen durfte. Damals herrschte der Glaube, dass die Familie vom Bär heimgesucht wird, wenn man ihn beim Namen nannte.
Hier sitzen wir nun in unserer warmen Grillhütte und schreiben Tagebuch.

Jonkeri Grillhütte

Gestern Abend kamen noch zwei Finnen mit ihrem Camper an, die uns gleich mal zwei Dosen Sandels-Bier spendierten. Heute, am 2. Juni, wissen wir noch nicht wie es weitergehen soll, denn draußen vor der Hütte tobt ein Schneesturm und wir hätten starken Gegenwind. In Deutschland hat es, sagt man uns, derzeit 34 Grad!
Unser Trinkwasser wird knapp und das Wasser aus dem See und dem Fluss wollen wir nicht trinken, denn wegen des Hochwassers werden allerlei Schadstoffe transportiert.

Also machen wir uns nach dem Frühstück im Schneegraupel auf Wasserbeschaffungstour. Wir radeln 7 km bis wir ein bewohntes Anwesen entdecken. Nachdem wir an die Holzhütte klopfen öffnet uns ein älterer Herr, der uns den Brunnen im Garten zeigt, aus dem wir in traditioneller Art mit Eimer und Seil unser Trinkwasser schöpfen. Nun wollen wir ihm noch Nudeln, Spagetti oder ähnliches abkaufen, aber entweder versteht er uns nicht oder er hat wirklich nicht viel essbares in der Hütte. Nach einigem kruschteln kommt er mit einer Packung Pilzsuppenpulver zurück, die er uns mit auf den Weg gibt. Gut dass wir noch Brot, Aufstriche und Haferflocken haben und die Suppe gibt es noch dazu.

Wir bleiben also noch eine Nacht an diesem schönen Platz, relaxen und lesen viel, bevor wir am nächsten Morgen in Richtung Kuhmo radeln. Das Wetter ist wie bei uns im April – ein Wechselbad zwischen Schnee und Sonne.

In Kuhmo selbst kaufen wir ein und essen gleich im Supermarkt zu Mittag. Da steht nämlich im wärmeren Eingangsbereich eine Bank, die wir die nächste Stunde in Beschlag nehmen.

Wir entscheiden uns aufgrund des Wetters wieder mehr nach Westen zu radeln. Bei Sotkamo sehen wir nahe der Straße mehrere Holzhäuser/Blockhütten, die sich noch im Bau befinden. Während wir sie anschauen kommen die Besitzer und Bauherren zu uns, um mit uns zu plaudern. Heiki erklärt uns die Konstruktionen, erzählt über die ursprüngliche Bauweise – z. B. Birkenrinde als Dachbedeckung hält 100 Jahre – und über die in Finnland gängige Forstwirtschaft. Junge Bäume werden viel zu früh gefällt und es gibt so gut wie keinen alten Bestand mehr.

Heikis Meisterwerke

Für eine Lagerhütte mit zwei Räumen hat er siebzig 60-jährige Kiefern (etwa 200 Stammteile) gebraucht.

Urwälder gibt es laut Reiseführer nur noch zu 5 Prozent, doch unendlich erscheinen uns die Wälder, die wir nach Sotkamo durchradeln, bevor wir mehr in hügeliges Gebiet vorstoßen. Die ersten Skigebiete sind ausgeschildert und die Hügel erinnern uns an den Schwarzwald oder das Allgäu. Später wechselt die Landschaft zu Moor und Sumpf. Moskitos – es soll viele verschiedene Arten geben – haben wir trotzdem absolut keine, denn für diese Quälgeister ist es noch zu frisch. Sie wimmeln als Larven noch in den Tümpeln herum.

Bislang haben wir in Finnland, ganz anders als in Schweden noch kaum wildlebende Tiere gesehen. Einmal einen Fuchs und mehrere Hasen. Das wars.

Vor Ranua sehen unsere ersten Rentiere – Juhuu – und ab hier sehen wir sie täglich! Entweder in kleinen Gruppen oder auch einzeln. Desöfteren ist ein Minikalb dabei, das sich dicht bei seiner Mutter aufhält. Uns gelingen einige superschöne Tierfotos!

Leider haben die Rens einen nicht so natürlichen Feind, das Auto. So gibt es in Finnland jedes Jahr ca. 4.000 Unfälle mit Rentieren. Die Rentiere leben frei in der Landschaft und ziehen wenn die Moskitoplage überhand nimmt nach Norden wo es kühler ist. Die Rens begleiten uns also.

Rentiere am Waldrand

Das Wetter bessert sich ab dem 6. Juni und wir bekommen T-Shirt- und Sandalen-Wetter als wir in Ranua auf dem Campingplatz am See eintreffen. So bleibt es auch die nächsten 2 Wochen.

Am 7. Juni kommen wir nach Lappland (Lappi), der nördlichsten und größten Provinz, dessen Hauptstadt Rovaniemi ist und wo wir das Arktikum besuchen. Themen die über den Alltag in der Arktis, vom Leben nordischer Völker, vom Klimawandel und der Globalisierung handeln, werden sehr anschaulich in englischer Sprache dargestellt. Erstaunlich, wie ein indigenes Volk in den Wintern hier überleben konnten.

wir kommen nach Lappland

Gleichzeitig überradeln wir den Breitengrad 66.34.00 und damit den Polarkreis „Arctic Circle“. Ab hier geht die Sonne für uns ab heute, dem 7. Juni, nicht mehr unter. Nördlich dieses Kreises dauert der Tag einen Monat! Wir stellen schnell fest, dass es wirklich „nachts“ taghell ist und man sogar ein Buch lesen kann. Bei sonnigem Wetter wird das Zelt die ganze „Nacht“ bestrahlt.

In Sirkka, dort liegt auch das Skigebiet Levi, wohnen wir eine „Nacht“ bei Otto, einem jungen Fotografen. Er machte tags zuvor für eine Reportage über Goldgräber in Lappland jede Menge schöne Fotos, die er uns zeigte. Manche Goldgräber arbeiten mit schwerem Gerät, wie Bagger, andere mehr als Hobby. Einer wäscht Gold zusammen mit Touristen. Überhaupt werden ab nächstem Winter viele chinesische Touristen erwartet, denn diese wollen die Polarlichter (aurora bolearis) sehen. Dies ist bei den Chinesen hoch im Kurs, vor allem bei frisch verheirateten jungen Pärchen, die einen Kinderwunsch haben. Die Polarlichter, so glauben sie, würden die Fruchtbarkeit erhöhen! Komisch, dass wir durch Gegenden radeln, die kaum besiedelt sind.

Otto, der Mountainbiker, Kletterer und Tourenskifahrer, kann es kaum erwarten nach Norwegen zu reisen, um dort mit Fellen das Tourenskifahren zu genießen. Die Berge bei Sirkka sind zwar auch mit Skiliften übersät, doch der höchste ist nur 718 m hoch und die Abfahrt dürfte kaum mehr als 300 Höhenmeter lang sein. Doch bis es soweit ist, trinken wir mit Otto zusammen einen Chaga-Tee. Chaga ist ein Schmarotzerpilz, der in kälteren Gegenden auf Birken – dem Nationalbaum Finnlands – wächst und sehr gesund für das Immunsystem sein soll. Dieser Pilz könnte auch eine zukünftige große Einnahmequelle für Birkenwaldbesitzer sein, die im großen Stil ihre Bäume damit infizieren.

Chaga Pilz

Wir sind auf jeden Fall überrascht, dass in dieser geringen Höhe noch soviel Schnee im Sommer liegt. Hier sind einfach die klimatischen Verhältnisse extrem und nach wenigen Höhenmetern ändert sich das Klima drastisch.

Ach ja, jeder erzählt uns übrigens, dass der letzte Winter der kälteste und schneereichste seit langem war. Manche meinen seit 1968, andere seit 100 Jahren. Entsprechend hinkt auch der Frühling noch hinterher.

Bei Muonio trennt uns nur ein breiter Fluss vor der schwedischen Grenze im Westen und auch bis nach Norwegen im Norden ist es nicht mehr so weit. 110 Kilometer. Jetzt stellt sich für uns die Frage: Nordkap ja oder nein?

Wir sind gut drauf, bisher prima voran gekommen und das Wetter stimmt auch, so dass wir uns für das Nordkap entscheiden. Bis dorthin sind es noch gut 450 Kilometer. Schon jetzt treffen wir immer mal Radler und Motorradfahrer mit großem Gepäck, deren Ziel das Nordkap ist. Man grüßt sich, man winkt sich zu oder hält ein Schwätzchen, so dass man unweigerlich vom Nordkapfieber gepackt wird.

Am Mittwoch, den 14.6.17 fahren wir über die unbewachte Grenze nach Norwegen.

Mitternachtssonne bei Rovaniemi

Unsere Fotos zu Finnland:

01-Finnland-Turku-Markt

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Schweden 2017

Zuerst noch ein wenig Deutschland:

Am 30. April 2017, starten wir von Zuhause aus bei 2 Grad und nehmen den Zug von Horb bis Lübeck, mit vier Mal umsteigen. Dort werden wir von unseren Freunden Claudia und Micha herzlich empfangen. Noch am selben Tag und am Tag darauf schauen wir uns diese sehr interessante und schöne Hansestadt an. Kaum zu glauben was es alles zu sehen gibt: 7 Kirchen, deren Wahrzeichen von Lübeck die Kirchtürme sind (St. Marien und der Dom), den Marzipanhersteller Niederegger mit Museum und Kostprobe inbegriffen, das Rathaus mit Ratskeller, wahnsinnig viele kleine Gänge welche in Wohneinheiten in zweiter Reihe münden.

kleiner Gang zu den Häusern in zweiter Reihe

Am Hafen liegen imposante Zweimaster, alte Salz- und Marzipanspeicher aus rotem Backstein…. Wir sind den ganzen Tag auf Städtetour. Schön, dass wir von Claudia und Micha lecker bekocht werden. Diesen Luxus werden wir so schnell nicht wieder haben.

Holstentor

Am 2. Mai geht es dann mit den Rädern los. Micha radelt mit uns nach Travemünde, wo wir uns zum Abschied noch ein leckeres Fischweckle gönnen. Dort am Stand erfahren wir gleich mal etwas interessantes über Krabben, die dieser Händler nicht mehr in seinem Programm hat.

„Da die Ostsee nicht salzig genug sei, würden die Krabben in der Nordsee gefangen und gleich tiefgefroren nach Gibraltar gebracht. Dort würden sie umgeladen und nach Marokko gebracht, wo sie gepult würden. Weiter ginge die Fahrt zurück nach Gibraltar, wo sie leicht radioaktiv bestrahlt würden, um sie keimfrei zu machen. Nach ca. 10 Tagen würden diese gepulten Krabben als frische Krabben an der Ostsee verkauft.“  Na ja – guten Appetit!

In Travemünde nehmen wir die Fähre nach Priwall und sind kurz darauf in Mecklenburg-Vorpommern auf dem Ostseefernradweg, der paralell zur See auf dem ehemaligen Panzerweg, entlang führt. Es gibt da nicht viel, nur ein paar Höfe, da ja hier früher die Grenze verlief. Wir haben einen Gastgeber in Wismar (warmshowers), so dass wir dort auf jeden Fall ankommen wollen. Es ist relativ kühl und regnerisch und für den ersten Radlertag haben wir uns etwas zu viel vorgenommen. Nach 85 km erreichen wir zwar Wismar, doch Martin hat nun Knieprobleme. Wismar ist eine schöne kleine Hansestadt mit alten Fachwerkhäusern. Wir verbringen einen netten Abend mit Justin und radeln tags darauf weiter zur Hansestadt Rostock. Auf dem Weg dorthin liegen einige reetgedeckte Häuser direkt an der blauen See und den knallig gelbblühenden Rapsfeldern. Auch in Rostock haben wir eine Unterkunft, bei warmshowers-Mitglied Dennis, der uns die imposante alte Werft am Hafen zeigt und uns am nächsten Morgen zum Fährterminal begleitet. Dort wartet schon die „Huckleberry Finn“ auf uns. Nach ca. 5 Stunden auf rauer See, die Gischt spritzt immer wieder bis zum 6. Deck hoch, kommen wir in Trelleborg an.

Fotos zu Deutschland:

07-Deutschland-Luebeck

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Schweden:

Hej Hej!

Diese schwedischen Begrüßungsworte begleiten uns, wie ein Mantra, täglich von morgens bis abends. Doch auch der Wind begrüßt uns, und das am ersten Tag mit Windstärken um die 40 km/h, durch den wir uns kämpfen müssen. Kurzzeitig entsteht der Wunsch in die andere Richtung zu radeln, aber da ist nur Wasser….Wir wollen zunächst den Radweg entlang der schwedischen Südküste bis Karlshamn nehmen. Wir finden am ersten Abend früh einen geschützten Platz in einem kleinen Wäldchen, wo wir unser Zelt aufbauen und unseren Benzinkocher einweihen können. Die folgenden dreieinhalb Radlertage bis Karlshamn legen wir dann auf dem Sydostleden Nr. 2 zurück, der uns aber auch im weiteren Verlauf bis nach Växjö bringt. Die schwedische Küste begeistert uns weit mehr als die auf der deutschen Seite. Wir radeln durch Pinienwälder, kleine Städtchen mit den typischen schwedischen Holzhäusern, dann wieder durch überschaubare Obstplantagen, vorbei an knorrigen alten Bäumen und ausladenden Stranddünen. Nicht zu vergessen die vielen Birkenwälder, die man bei uns Zuhause kaum sieht. Abends gönnen wir uns ein „Öl“ (schwedisches Leichtbier aus dem Supermarkt) um die Mineralien in uns wieder herzustellen.

ein klasse Platz zum zelten

Die Wälder sind wunderschön, dunkelgrüne Moose wechseln sich mit hellgrünen dicken Flechten ab, die beim Gehen unter den Füßen quietschen. Es könnte wärmer sein, doch immerhin haben wir zwei tolle sonnige Tage mit Temperaturen bis zeitweise 25 Grad. Doch danach sinkt es wieder auf 10 Grad Höchsttemperatur ab. Zweimal suchten wir gar Schutz unter Bäumen vor üblem Graupelschauer.

Was fällt uns in den ersten Tagen besonders auf? Schweden ist sehr sauber. Es liegt so gut wie kein Abfall herum. Auch keine Zigarettenkippen, da fast niemand raucht. Die Gärten sind irre gepflegt, und über den Rasen fahren ohne Unterbrechung elektrische Mähroboter. Die Holzhäuser sind schön hergerichtet und fast in jedem findet sich eine Nachtlampe auf dem Fensterbrett. Es ist sehr ruhig, auch in den Städten, doch dies liegt vielleicht am kalten Wetter.

Nach Karlshamn radeln wir auf dem Sydostleden 2 nach Norden bis Växjö, einer stillgelegten Eisenbahnstrecke. Der Bodenbelag wechselt zwischen Asphalt und kleinen Kieseln mit Sand.

schöne Reethäuser in Schweden

Nach einer eisigen Nacht – Zelt, Räder und Wiese sind mit einer weißen Schicht überzogen –  finden wir in Växjö den warmshower Gastgeber, Pieter, der uns nach fünf Nächten im Zelt herzlich empfängt und uns ein warmes Zimmer überlässt. Wir werden von ihm und seiner Tochter bekocht und wir unternehmen einen schönen Spaziergang zum See. Auch erfahren wir einiges über Land und Leute. So auch über die schwedischen Läden in denen man Alkohol kaufen kann. Hier eine Zusammenfassung von Wikipedia:

Systembolaget ist ein staatliches Unternehmen in Schweden, das ein Monopol auf den Einzelhandel von Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 3,5 Volumenprozent hat. Das Unternehmen dient als Instrument der staatlichen Alkoholpolitik und verfolgt das Ziel, den Alkoholkonsum in Schweden einzudämmen. Die Grundidee für die Einführung war, dass sich ein Unternehmen ohne Gewinninteresse leichter verschiedener Kontrollinstrumente, wie z. B. der Rationierung, bedienen kann.“ Weiteres siehe Systembolaget

Was in den Supermärkten jedoch in allerlei Arten angeboten wird sind die Snus, die in der EU verboten sind. Es handelt sich hier um Tabak der in Form von „Teebeuteln“ zwischen Zahn und Backe gesteckt wird. So wird dort jede Menge Nikotin freigesetzt. Dazu mehr: Snus

Nach Växjö geht es auf kleinen Landstraßen weiter, entlang durch ruhige Wälder und einigen schönen Seen. Es ist sehr hügelig, doch wir schwitzen kaum, da es immer noch selten über 10 Grad warm wird. Dafür gibt es zur Zeit keine Mosquitos!

Bereits am 7. Tag in Schweden sehen wir unsere erste Elchkuh – Juhuu! Sie steht auf einer Wiese am Waldrand und grast. Als wir den Foto zücken wollen schlendert sie in den Wald und weg ist sie. Was für ein schlacksiger Gang.

Um uns aufzuwärmen verbringen wir viel Zeit in den Bibliotheken, also den Büchereien, denn dort können wir auch kostenlos ins Internet. Ansonsten ist es noch in den Kirchen sehr warm. Diese unterscheiden sich völlig von den unseren. Es gibt Sitzecken mit Spielsachen für Kinder darin und Garderobe. Die Kirchenglocken befinden sich meist außerhalb der Kirche in einem bis zu 50 m hohen holzernen Glockenturm.

Günstiges Essen bekommt man mittags in den Pizzerien und anderen Lokalen. Wir hatten einmal einen Mittagstisch (Salat, große Pizza, Getränk, Kaffee) für 8 Euro. Ein anderes Mal 2 Pizzen für zusammen 9 Euro. Die Schweden essen üblicherweise gegen 17 Uhr und mittags sind die Lokale ziemlich leer.

Es bewährt sich auf den kleinen Landstraßen oder abgelegenen Fahrradwegen weiter zu fahren. Wir sehen tolle Seen, manche sind aufgrund des Torf- Moorgehalts rabenschwarz, andere schillern uns blau durch die noch sehr kahlen Bäume entgegen. Einen super Zeltplatz haben wir auf der Insel Torpon direkt am klaren Wasser unter alten Kieferbäumen. Die Insel erreicht man über eine kleine Brücke, verlassen wird sie mittels einer kleinen Fähre, welche jede Stunde fährt.

unser Zeltplatz auf der Insel Torpon

Auf diesen ruhigen Wegen sehen wir auch täglich Wild – Hasen und Rehe. Vor Altvidaberg stoßen wir auf eine richtige Rehquelle, die das Herz eines jeden Jägers höher schlagen lassen würde. Wir sehen dort an einem Morgen viele Rehgruppen, mit bis zu 30 Rehen. Überschlagen kommen wir auf gut hundert Rehe, die im Tal unter uns grasen, liegen oder sich an einem kleinen Bach tränken.

Wir schlafen in dieser Nacht auf einer Lichtung und hoffen auf Elchbesuch, da wir glauben entsprechende Spuren gesichtet zu haben. Doch es gestaltet sich anders. Kaum ist Martin eingeschlafen, hört Agnès wie sich eine Wildschweinfamilie um das Zelt tummelt und dort laut grunzend den Boden umwühlt. Martins Schlafgeräusche mischen sich mit dem Sound der wilden Tiere, er bekommt rein gar nichts mit. Am nächsten Morgen kann er doch wenigstens die aufgewühlte Erde sehen.

Größere Orte sind selten, oft stehen einfach die kleinen meist rotbraun gestrichenen Holzhäuser, mit ihren schwedischen Fahnen am Fahnenmast, in der Nähe der Wege. Davor reihen sich buntbemalte Briefkästen, manchmal bis zu 15 Stück. Wie wir beobachten wirft der Postbote die Briefe direkt vom Autofenster aus in die Briefkästen. Das Lenkrad befindet sich in diesen Wägen auf der rechten Seite. Ganz schön clever.

Essen die Schweden anders als wir? Im Supermarkt kaufen wir Brot welches mit Äpfeln oder mit Preiselbeeren durchsetzt ist, sogenanntes Lingon Grova Brot. Da drauf kann man als Brotaufstrich den Inhalt einer der vielen Tuben schmieren, zum Beispiel Käse mit Garnelen. Das hatten wir mal zum Frühstück.

im Supermarkt – Knäckebrot

Oder Makrele in einer Sauce, die nach Spekulatius schmeckt. Feeling wie an Weihnachten.

Klar haben wir auch Köttbullar mehrmals gehabt. Das sind einfach gewürzte Hackfleischbällchen. Da stehen die Schweden drauf!

Klasse sind die süßen Stückchen, die man am besten in großer Menge kauft um Rabatt zu bekommen, oder Peppakaka oder Tigerkaka….

Viele Gerichte (Erbsensuppe, Linsen, …) oder Marmelade wird in Plastikschläuchen verkauft. Für uns Radler nicht schlecht, denn wir sparen Gewicht.

Letztendlich besuchen wir dann auch einen Systembolaget und stellen fest, dass die Auswahl an alkoholischen Getränken riesig ist. Belgische starke Biere, reines deutsches Pils, dunkle irische Biere, und so weiter, es gibt alles. Auch viele Weine aus allen Herren Ländern. Die Verkäufer sind gut geschult und sie kennen sich aus. Allerdings schließen diese Läden Samstags um 14 Uhr und wenn man kurzfristig eine Party planen will — Pech gehabt.

Ansonsten haben fast alle Supermärkte und Läden in den Städten auch am Wochenende offen.

So genug von Trinken und Essen. Etwas besonderes ist die alte Holzkirche von Tunaberg von 1700. Im Innern gleich sie in Form und Bemalung einem alten Schiff. So etwas haben wir noch nie gesehen.

Holzkirche Tunaberg 1700

Mitte Mai erreichen wir dann wieder die Küste und es wird wärmer – 20 Grad sind nun schon mal drin – doch ein kühler Wind weht immer. Die Schweden wurden uns vor unserer Fahrt als etwas reservierter „Stamm“ beschrieben. Wir machen andere Erfahrungen. Immer wieder suchen sie das Gespräch mit uns. Sie sind interessiert wohin unsere Reise gehen wird und woher wir kommen. Alles kein Problem, da sehr viele Englisch reden.

Auf schönen Radwegen, über Holzstege entlang eines Sees, erreichen wir die ersten Vororte von Stockholm, der Hauptstadt Schwedens. Dort freuen wir uns auf den Warmshower-Gastgeber Pierre, der sich mit acht Freunden zusammentat. Sie kauften sich gemeinsam eine wunderschöne Villa. Wie wir erfahren herrscht im Großraum Stockholm extreme Wohnungsnot, was die Preise für Wohnraum in schwindelerregende Höhen trieb und weiter treibt. Mietwohnungen sind gefragt und teuer. Auch ist es in Stockholm nahezu unmöglich einen unbefristeten Mietvertrag zu bekommen. Meist muss man nach 1 Jahr wieder umziehen. Es gibt kommunale Wartelisten für Mietwohnungen, doch die Wartezeiten betragen derzeit mindestens 10 Jahre, bis zu 15 Jahre in einem Vorort (Innenstadt bis zu 20 Jahre). Auch kann man sich nicht genau die Wohnung aussuchen die man haben will, sondern eben nur die, die einem von der Kommune angeboten wird – sozialistische Planwirtschaft!

Wir konnten dies kaum glauben, dachten wir hätten es falsch verstanden, doch hörten dies immer wieder von verschiedenen Schweden. Eine Recherche im Internet ergab. Es ist katastrophal in Stockholm eine Wohnung zu finden. Besser ist es etwas eigenes zu besitzen.

Der Zuzug nach Stockholm ist immens. Angeblich will das Land dort Wohnraum für eine Million Personen schaffen.

Stockholm – Blick auf das Alte Rathaus

Wir wohnen insgesamt 4 Nächte bei Stockholm und besichtigen ausgiebig diese schöne Stadt mit den vielen Inseln und dem vielen Wasser. Wir lassen uns von der malerischen Altstadt mit den bunten Häusern und engen Gassen bezaubern, besuchen das alte Rathaus, welches aus 5 Millionen roten Ziegelsteinen erbaut wurde, radeln über kleine Inseln, erkunden die Gegend um den königlichen Palast und die endlos wirkenden Fußgängerzonen und Shopping-Malls.

Ein Höhepunkt ist freilich das Vasa Museum. Dort liegt das Vasa Kriegsschiff, welches im Jahr 1628 vor Stockholm bei seiner Jungfernfahrt bereits nach 1.500 Metern (!) gesunken ist. Das Wrack wurde nach 333 Jahren 1961 aus 30 m Tiefe geborgen. Es wurde 17 Jahre lang restauriert und besitzt prachtvoll geschnitzte Skulpturen und Ornamente, zu 98 Prozent aus Originalteilen. Das Museum bietet auch Einblicke in das Leben der Besatzung und auch in das Leben der Menschen im 17. Jhd.

Wir waren jedenfalls fasziniert und haben alles ausgiebig besichtigt. Ob wir dies vor 10 Jahren getan hätten ist fraglich, denn damals wurde das Schiff zuerst mit Meerwasser und später mit Wasser und Wachs besprüht um es zu konservieren. Die Besucher bekamen Regenmäntel und Gummistiefel verpasst.

Am Montag, den 22. Mai nehmen wir Abschied von Stockholm, radeln um 05.00 Uhr in der Frühe durch die Stadt und nehmen die Fähre „Baltic Princess“ nach Turku in Finnland. Die 12-stündige Fahrt verläuft ruhig und auf dem großen Kahn mit seinen 10 Decks gibt es einiges zu entdecken.

Die frühe Uhrzeit macht uns nichts aus, denn um 5 Uhr ist es längst hell und die Sonne hat schon in unser Zimmer gescheint. Irgendwie haben die Schweden keine Rollläden. Wir checken auch mal die Sonnenaufgang (4:02 Uhr) und Sonnenuntergangszeiten (21:29 Uhr) – das sind doch glatt 2 Stunden mehr Tageslicht als derzeit Zuhause. (5:56 / 21:06).

Geradelte Kilometer in Deutschland: 191 km

Geradelte Kilometer in Schweden: 1.069 km

Fotos zu Schweden – Teil 1:

01-Schweden-Trelleborg-Faehre

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Deutschland 2016- Rückkehr

Deutschland hat uns wieder

Der Radweg führt uns über die Landesstraße bis Blankenheim. Dort entspringt die Ahr. Der Ahrtalweg schlängelt sich auf einer Strecke von 81 km von hier bis nach Sinzig, wo die Ahr in den Rhein mündet. Von Blankenheim bis Schuld ist der Radweg ein Hangweg, von dort an begleitet er als Uferweg den Fluss.

Direkt am Radweg zelten wir an einer Picknickstelle oberhalb der Ahr, trocknen unsere nasssen Sachen und kochen lecker. Am nächsten Tag geht es bei 7 Grad aus den Federn und bei 11 Grad radeln wir weiter.

Übernachtung an der Ahr

Der Ahrradweg ist wunderschön und vielseitig: Waldgebiete, kleine Dörfer, später Weinberge und Felsenlandschaft. Von dem Hochwasser das Anfang Juni in Münch stand, sehen wir keine Spuren mehr, doch beim Metzger liegen Fotos von den Überschwemmungen aus. Eine 2 Meter hohe Welle sei durch das Dorf gepflügt,
meint die Metzgerin.

Ab Altenahr bessert sich das Wetter; passend zu den vielen Weinbaugebieten, die auch Sonne benötigen.

Nachmittags erreichen wir den Rhein, wo die Ahr als breiter Fluss mündet. Nun geht es flacher weiter und schnell sind wir in Koblenz mit dem Kaiserdenkmal. In Richtung
Lorelei verengt sich das Rheintal, die Strömung nimmt zu und unten am Hang ist nur noch Platz für die Bahn, eine Straße und den Radweg. Wir beziehen einen Platz auf dem Camping Lorelei der direkt neben der Hauptstraße liegt. Es ist hier zwar laut, doch dafür hat man einen schönen Blick auf die steile Felslandschaft.

bei der Lorelei

Toll sind auch die vielen Burgen die sich in die Landschaft schmiegen. Sie sind alle in hervorragendem Zustand, ebenso wie viele hergerichtete Dörfer mit Türmen und Fachwerkhäusern. Besonders hervorzuheben sind hier Andernach und Oberwesel. Überall könnte man hier einen Tag verbringen, doch es zieht uns wie die vielen kanadischen Wildgänse weiter.

Ab Bingen wird das Rheintal weiter und flacher. Felder, Biotope und alte Rheinauen, in denen wir leuchtendgelbe Pirole sehen, wechseln sich ab.
Bei den Mainzelmännchen hätten wir Lust in das Rhein-Strandbad zu liegen. Es ist heiß, Hängematten und Liegestühle laden zum relaxen ein. Doch wir haben Rückenwind und das können wir uns nicht entgehen lassen.

Bei Worms überqueren wir den Rhein, radeln weiter bis Mannheim wo wir den Neckarradweg finden. Schnell sind wir in Heidelberg, umfahren die vielen Touristen mit gezückten Kameras und kommen kurz nach Heidelberg zu einer eiskalten Quelle wo wir leckeres Wasser tanken. Ab Heidelberg ist der Radweg und die Landschaft hügeliger. Auch hier gibt es viele Burgen und ab Heilbronn unzählige Weinberge.

Unsere letzte Nacht campen wir wild am Neckar bei Kirchheim auf einer kleinen Wiese. Kurz vor Nürtingen verlassen wir das Neckartal und radeln durch das Aichtal in Richtung Herrenberg, da dort unser Auto steht, das wir abholen wollen. Nun sind wir schon so nah, dass wir nicht noch eine Nacht im Zelt verbringen wollen. Wir geben Gas und kommen nachts in Herrenberg an. Am letzten Tag zeigt unser Tacho 151 km und 10 Stunden Fahrzeit. Nicht schlecht!

Nun ist unsere Tour de France etwas früher als geplant zu Ende. Insgesamt sind wir in den 10 Wochen 4.972 km geradelt und haben wieder viele schöne Begegnungen gehabt und schöne Orte entdeckt.

Aichtalradweg bei Waldenbuch

Doch nun legen wir erst einmal unsere Beine etwas höher….oder die Fahrräder?

Fotos zu Deutschland 2016 Rückreise:

09_deutschland_ahrradweg_blankenheim

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Belgien 2016

Fiets Paradijs

Ja, Belgien ist für uns ein Fahrradparadies. In der Nacht zum 6.7.16 schlafen wir vermutlich schon in Belgien. Wir wissen es nicht genau, denn von einem Grenzhinweis ist weit und breit nichts zu sehen.

Doch bei unserem ersten Einkauf im Supermarkt sind wir uns sicher. Ein Supermarkt ohne Fenster mit zahlreichen einzelnen fensterlosen Kühltruhen, wobei der Inhalt auf einem Poster gezeigt wird. Ein eiskalter Innenraum, in dem Obst, Gemüse und Käse verwahrt wird, doch überall kann man kleine Häppchen Käse, Melone usw. naschen. Die Belgier sind einfach praktisch. An der Kasse läd die Scanner-Frau die Ware von unserem Einkaufswagen in einen leeren Wagen, der immer dort bereit steht. An jedem Wagen gibt es übrigens eine Klipp-Halterung für den Einkaufszettel. Tja, echt praktisch die Belgier! Allerdings sahen wir dann in Belgien soooo einen Supermarkt nie wieder. Alle anderen waren den französischen ähnlich.

Und Brotautomaten haben die Belgier! In vielen kleinen Dörfern können wir an den Wochenenden oder nach Ladenschluss hier zu frischem Brot kommen. Dazu einen der bereits angemachten Salate, die es in allen Variationen in den Märkten gibt – und das Picknick steht.

An der Schelte entlang radeln wir durch schöne flache Natur nach Gent. Unterwegs sehen wir viele Kanadische Wildgänse und Rothalsgänse. Die Frösche veranstalten derzeit mächtige Konzerte.

Gent, die zweitgrößte Stadt in Flandern, hat einiges zu bieten. Historische schöne alte Gebäude, befahrbare Kanäle und sehr viele gemütliche Straßencafes. Wir haben schönes Wetter und jung und alt genießen die Sonne, verweilen in den Cafes oder sitzen an den Uferpromenaden.

Gent in Belgien

Die Schelte wollen wir nicht verlassen, denn es ist so schön flach hier. Wir haben Rückenwind und die Radwege sind in gutem Zustand. Diese haben hier ein Nummernsystem und von A nach B zu kommen ist es ratsam sich die Nummern der einzelnen Streckenabschnitte zu notieren. So radeln wir zum Beispiel an einem Vormittag die Strecke: 98-82-101-103-84-104-69-505-533 ….Immer an den Knotenpunkten fängt ein neuer Streckenabschnitt an.

Radweg über die Schelte

Das Hinterland der Schelte wird oft durch einen Damm geschützt, der an vielen Stellen von Kaninchen untergraben ist. Die nicht sehr scheuen Kaninchen sehen wir überall. Sie sind wohl an die vielen Radler gewöhnt. Denn Radler gibt es hier auch massenweise. Der Belgier ist wohl der geborene Radfahrer. Über die Schelte kann man an vielen Stellen mit einer kostenlosen Fähre zum anderen Ufer übersetzen.

In Boom, einer Kleinstadt, wollen wir das EM Halbfinalspiel Frankreich-Deutschland sehen. Wir finden die Hollywoodbar mit netten Belgiern – allerdings sind sie irgenwie alle ein wenig beleidigt, da Belgien gegen Wales ausschied – die alle interessiert sind, für wen wir bei diesem Spiel wohl jubeln. Ja, letztendlich war es dann Agnès. Nach dem Spiel bauen wir unser Zelt still und heimlich im Stadtpark auf, wo wir eine ungestörte Nacht verbringen.

In Mechelen verlassen wir die Schelte, besuchen dort die prächtige gothische St. Romualds Kathedrale mit einer berühmten holzgeschnitzten Kanzlei von 1886. In der Kathedrale sind auch Werke von bedeutenden Meistern wie Lucas Faydherbe, Abraham Janssens van Nuyssen, Gaspar de Crayer, Michiel Coxcie und Anthonis van Dyck ausgestellt.

Bei Werchter suchen wir uns mal wieder einen Campingplatz und wundern uns, dass auf diesem kleinen Campingplatz, den wir dann finden, ein ziemlich großer Andrang herrscht. Doch irgendwann ist klar. Werchter ist eines der europaweit viertgrößten Austragungsorte für Rockkonzerte. Wir landen mitten in Rock Werchter 2016. Am 9.7. ist der ausverkaufte Auftritt von Bruce Springsteen und die Fans in unserem Alter sind angereist. Wir sind die Einzigen die am 9.7. wieder abreisen – die Fans wundern sich über uns.

Es geht weiter durch wildes, teilweise noch überschwemmtes Naturschutzgebiet, später durch schattige Waldgebiete und immer wieder durch eine Kleinstadt mit viel Atmosphäre. Am Albert Kanal entlang führt der Radweg flach nach Liège (Lüttich).
Bereits ca. 20 Kilometer vor Liège kommen wir in die französisch sprechende, wallonische Region. Diese Gegend scheint ärmer zu sein. Mehr Müll, weniger gute Wege, kein Radwegnummernsystem mehr.

Liège lassen wir „links“ liegen, und nehmen ab da den Ravel (Réseau Autonome de Voies Lentes, also „unabhängiges Netz langsamer Wege“), an der Ourthe entlang bis Tilff. Auf dem dortigen Camping municipal bleiben wir bei gutem Wetter zwei Tage lang, lassen es uns gut gehen (= schlemmen) und schauen uns das Endspiel Frankreich – Portugal an. Auch in diesem Lokal herrschte eine angenehme Atmosphäre. Auch gilt es den großen Zeh von Agnès zu pflegen, denn sie stolperte über einen Betonstein und enthäutete ihn.

In den belgischen Ardennen müssen wir uns wieder auf ein paar Höhenmeter gefasst machen. Aber die Aussichten sind prima und es ist so gut wie nichts los. Dafür regnet es immer mal wieder und es ist nicht einfach einen ebenen und einigermaßen trockenen Schlafplatz in der Natur zu finden.

vor der Grenze noch schnell ein paar belgische Fritten

Weiter geht es durch Wald und Wiesen in Richtung deutscher Grenze. Hier wird plötzlich, obwohl noch in Belgien, Deutsch gesprochen. Auch die Hinweisschilder wie „Polizei“ oder „Baustelle“ sind schon auf Deutsch, was uns ziemlich wundert.
Wir kommen zum Weißen Stein in der Nordeifel, auf 655 m. Von hier aus sind es nur noch wenige hundert Meter bis nach Deutschland. Einen Hinweis auf die Grenze können wir auch hier nirgends mehr sehen.

Fotos zu Belgien:

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